Predigt von Pfr. Dr. Stefan Bauer am Sonntag Jubilate, 21.04.2024, Matthäuskirche Landau
2 Korinther 4,14-18
14 denn wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch. 15 Denn es geschieht alles um euretwillen, auf dass die Gnade durch viele wachse und so die Danksagung noch reicher werde zur Ehre Gottes. 16 Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. 17 Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, 18 uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
Liebe Gemeinde, Jesu Auferstehung ist ein Ereignis, zu dem die Worte fehlen. Und doch ist sie wie ein Paukenschlag, eine Ouvertüre, der große Auftakt zu einer neuen, weltumgreifenden Hoffnung. Durch die Auferstehung wurde aus einer innerjüdischen Bewegung um einen wundertätigen und wortmächtigen Wanderprediger nach und nach die Weltreligion Christentum.
Die Begeisterung ist seither nicht mehr abgerissen. Und sie ist ja auch nicht überall auf der Welt so wie in Deutschland auf Sparflamme, so fast am Verlöschen, könnte man manchmal meinen. Das Christentum ist nicht überall eine sterbende Institution. Das ist ein überwiegend deutsches Problem. Anderswo bewegt das Christentum die Menschen und ist nach wie vor Quelle großer Hoffnung von Generationen.
Damals, nachdem sie verstanden hatten, was für eine Kraft mit Jesu Auferstehung in die Welt gekommen war, trugen Männer und Frauen aus der Jesusbewegung ihre neue Hoffnung weiter. Und zwar in schwieriger werdende Zeiten. Viele sorgen sich heute, dass es auch für Europa wieder solche Zeiten geben kann.
Im heiligen Land zogen damals Kämpfe herauf und Krieg. Der jüdische Aufstand. Das brutale Durchgreifen der römischen Weltmacht. Hätte das Wort von Christus da nicht schon die Landesgrenzen über-schritten gehabt, hätte es nicht schon in die Synagogengemeinden Kleinasiens und Griechenlands, nach Ägypten und Rom ausgestrahlt, wäre die frohe Botschaft womöglich mit dem Jüdischen Krieg und der Zerstörung Jerusalems 70 nach Christus verschwunden.
In der zweiten, dritten Generation der Christen wurden dann Texte wie der aus dem 2. Korintherbrief verfasst. Da merkt man, dass alles grundsätzlicher wird, existentieller, vielleicht auch formelhafter. Alle Zeuginnen und Zeugen, alle, die Jesus persönlich begegnet waren, waren nun schon gestorben. Und da versuchte man, dem überwältigenden, sprachlos machenden Wunder der Auferstehung nun doch Worte zu geben. Und wir haben Mühe, diese abstrakten Worte heute einzuordnen.
Reichen uns Worte, damit unser Herz brennt? Die beiden Emmaus-Jünger, denen der Auferstandene nahekam, denen ging es so: „Brannte nicht unser Herz?“
Und müssten wir das nicht auch heute spüren? Und reichen uns dafür die Worte aus einem alten Brief?
Ich bin auf die Suche gegangen, was uns heute unmittelbar ansprechen könnte in dem Text. Die erste Stelle, an der ich hängenblieb, da schreibt der Apostel:
„Es geschieht alles um euretwillen.“
Jesu Leben, seine Worte, seine Wunder, sein tapferer Weg in Folter und Ermordung. Um unsretwillen. Mit uns, hat es etwas zu tun, dass Jesus nicht gebrochen wurde, sondern bei sich blieb, bei Gott, den er Vater nannte, bei seiner Botschaft der Sanftmut und der Entscheidung, zu der Jesus die Menschen aufforderte.
Dieses „Um unseretwillen“ Gottes, liebe Gemeinde, das allein ist ja schon nicht weniger als ein Auftrag an alle Menschen, zu allen Zeiten. Es ist derselbe christliche Auftrag an uns heute: Kümmert euch umeinander. Tut, was ihr tut, füreinander, um eurer Nächsten Willen, um der Menschheit und der Schöpfung willen. Seid füreinander da. Seid auch bereit, Opfer zu bringen füreinander – gradezustehen für das Miteinander. Lasst euch nicht auseinanderdividieren in die Guten und die Bösen. Lasst euch nicht auseinanderdividieren in die mit deutschem Pass und die ohne. Christentum blickt weiter – wir haben den himmlischen Pass – alle auf der Welt sind gemeint.
Was ist das allein schon für eine große Herausforderung: um unseretwillen, um der mitmenschlichen Gemeinschaft willen zu leben und die Kräfte einzusetzen!
Dazu gibt es den christlichen Glauben!
Für den Egoismus und den Narzissmus und alle Spielarten der Ausgrenzung und Ausbeutung sind die Ideologien zuständig, das System, in dem wir leben, die Systeme, die einander bekämpfen auf der Welt, die ihre Ressourcen, ihren Wohlstand und ihre Macht sichern. – Das Christentum aber kann nur auf Gemeinwohl sehen, auf Gerechtigkeit – im kleinen und auch im globalen Maßstab. Das Christentum war immer eine Religion, die geteilt hat, die die Bedürftigen nicht ignoriert, die nicht wegschaut. Eine Religion, die aufhört mit den Diskriminierungen, mit der Ausbeutung, eine Religion, die alle einlädt an den Tisch zu kommen. – Eine Religion, die überströmt in Kreativität und Lebensfreude. Eine Religion der Begegnung und des Dialogs.
„Um unseretwillen.“ – Der Brief erinnert mich an die Orientierung, die mein Glaube hat.
Ich möchte das gern konkret werden lassen, das „Um unseretwillen.“
Diese Woche durfte ich das mehrfach erleben.
Da sind erstmal die Pfadfinder aus St. Albert. Sie stecken jetzt noch mittendrin in der 72-Stunden-Aktion. Das ist eine Aktion des BDKJ, der katholischen Jugend. Und sie findet in diesem Jahr in allen deutschen Diözesen zeitgleich statt.
Es ist ja ein Prinzip der Pfadfinder, gute Taten zu tun, Taten also, die füreinander geschehen. Und in diesem Zusammenhang sehe ich, wie großartig das ist, dass die Gruppenleiter, die Jugendlichen, die Kinder und ihre Familien sich dieses Jahr hier direkt in unserem Stadtteil einsetzen zum Wohl anderer Kinder.
Im Hof der Grundschule, in der Kita St. Albert und bei uns im Siedlernest wurden Projekte umgesetzt. Wir durften einen Wunsch äußern und die ganze Planung und Umsetzung wurde von den Pfadfindern übernommen.
Bei uns wurde ein Bereich des Kita-Außengeländes mit Baumstämmen eingefasst und mit Holzhackschnitzel gefüllt. Außerdem wurde der Krippenbereich gestrichen.
Nachher wird Vera Lißfeld zu uns kommen – jedenfalls eine Delegation. Sie laden uns alle ein, nachher nach dem Gottesdienst und nach dem Kirchenkaffee auch noch drüben in St. Albert vorbeizuschauen, wo das Abschlussfest der 72-Stunden-Aktion gefeiert wird. Artur Keßler und ich werden Segensworte sprechen.
Mein zweites Erlebnis in Sachen „um unseretwillen“ war ein Fortbildungstag mit unseren Erzieherinnen vom Siedlernest am vergangenen Freitag. Mit der Langzeitfortbildung „Religion – Werte – Bildung“ werden Bibel und Glaube in den Kita-Alltag geholt. Diesmal haben wir uns über Wunder ausgetauscht. Was sind für uns Wunder? Wie kann man mit den Kindern über Wunder reden? Welche Wundergeschichten der Bibel eignen sich?
Ich habe mich nur so gewundert, dass Vielen im Team Wunder wichtig sind! Das Wunder einer Geburt, die Wunder der Schöpfung in der Natur, die gelungene Aktion mit Kindern, unsere engagierten Eltern – viele Wunder werden gesehen.
Und warum sind es Wunder? Warum ist es nicht normal, wenn das Leben schön ist und gelingt? Warum muss das Leben so durchwachsen sein von Gutem und von Traurigem, von Erfahrungen, die einem das Herz aufgehen lassen und von Erfahrungen, die einem das Herz gefrieren lassen.
Ich meine, um die Wunder zu sehen um uns, ist eine andere Passage aus dem heutigen Text wichtig. Da steht: „Wir sehen auf das Unsichtbare!“ – Ist das nicht unlogisch? Unsichtbares ist doch dadurch bestimmt, dass es eben nicht gesehen werden kann?
Aber, wer Wunder erkennt in seinem Leben, in der Welt, der sieht eben im Grunde das Unsichtbare, von dem alles ausgeht, von dem alle Wunder kommen.
Und das ist Gott. – Gott, der das größte aller Wunder schafft – die Auferstehung. Und, wenn die möglich und denkbar und erfahrbar und in Gemeinschaft erlebbar wird nach Jahrhunderten und Jahrtausenden, dann ist sie eine Wirklichkeit, das größte aller Wunder.
Der Briefschreiber nennt die Quelle der Wunder: „eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit“. Das ist Gott! Licht vor der Erschaffung des ersten Lichts. Ewige Herrlichkeit, die alles überwiegt!
Ich möchte das heute mitnehmen. Dass alles, was Gott tut „um unseretwillen“ geschieht – all die Hingabe, all die Liebe in Jesus und in denen, die ihm folgen. Der Schlüssel, dass die Liebe des Auferstandenen lebendig bleibt ist, dass wir selbst auch „um unseretwillen“ zu leben lernen – einer für die andere, jede für jeden. Mehr Energie, mehr Ressourcen in das gemeinsame Wohl. Mehr von diesen 72-Stunden-Aktionen. Mehr von diesen Stärkungen für unsere Erzieherinnen. Mehr Gemeinsinn. Dafür können christliche Gemeinden Kristallisationspunkte sein. Kostbare, schillernde, einladende Orte und Gemeinschaften.
Was aber immer wieder dieses Gute hervorbringt, das ist die Quelle, Gott, der selbst im Unsichtbaren bleibt, der uns aber Jesus gegeben und gezeigt hat.
Wer heute lernt, das Unsichtbare zu sehen, wie es im Brief heißt, der wird die scheinbare Unabänderlichkeit der Dinge mit Freude überwinden.
Wer das Sichtbare fixiert, der wird zur Salzsäule, erstarrt in Resignation und Depression.
Wir sind da, einzuladen, das Unsichtbare zu sehen, die ewige, über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit unseres Gottes, der Licht und Hoffnung erfunden hat, um unseretwillen.
Und sein Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre …