Predigt von Pfr. Dr. theol. Stefan Bauer, Matthäüuskirche Landau, 21.7.2024
Epheser 5,8b-14
Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.
Liebe Gemeinde,
Licht und Finsternis werden uns im Epheserbrief als unvereinbare Gegensätze beschrieben. – Wir kennen das sehr gut: Unser Denken versucht, das Lebenschaos zu ordnen und findet einfache Lösungen. Schwarz-Weiß-Denken.
Wir, die Guten – die Anderen, die Bösen. Früher, alles besser – heute, immer schlimmer.
Wir wissen auch, was passiert, wenn unser Schwarz-Weiß-Denken an seine Grenzen kommt. Dann gerät Gott auf die Anklagebank: Sind wir nun die Kinder des Lichts? Warum passieren dann überall schlimme Dinge? Sind die Ukrainer dann schlechte Menschen, dass sie jetzt im Krieg sterben müssen? Liegt auf dem jüdischen Staat ein Fluch?
Und dann kommt Vereinfachung nach Vereinfachung, um das zu verarbeiten. Antijudaismus ist so eine grandios erfolgreiche Vereinfachung, die die ganze Weltgeschichte hindurch immer wieder zu funktionieren scheint.Aber wir finden immer genug Gründe, davon überzeugt zu sein, dass wir selbst auf der Lichtseite stehen!
Der Autor des Epheserbriefs aber schreibt seiner Gemeinde, dass sie erst noch dahin kommen muss, als Christen wie Kinder des Lichts zu leben.
„Wandelt als Kinder des Lichts!“
Um ein Kind des Lichts zu sein braucht es also seiner Meinung nach einen Wandel, eine Haltung, ein Tun, eine Bewegung jedenfalls.
Bevor wir das näher anschauen, was zu diesem Wandel gehört, möchte ich noch auf das Licht eingehen.
In der Vorstellung der jüdischen Bibel, des ersten Testaments, ist Licht ein Kennzeichen Gottes. Überall, wo in der Luther-Übersetzung der Bibel von Gottes „Herrlichkeit“ die Rede ist, steht eigentlich „Kawod“, strahlender Lichtglanz Gottes. Zum Beispiel in der großartigen Thronsaalvision des Jesaja, Kap. 6,3, wir singen diesen Vers in der Abendmahlsliturgie, da heißt es: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zabaoth, Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit“, sprich: von seinem Lichtglanz.
Wohl gibt es auch die andere Aussage, z.B. 2 Mose 20,21, wo es um die Gabe der zehn Gebote geht: „Das Volk stand von ferne, aber Mose nahte sich dem Dunkel, darinnen Gott war.“
Ursprünglich also ist Gott im Glauben Israels beides: Licht und Dunkelheit. Es bleibt immer etwas verborgen von Gott. Es ist niemals alles hell und klar, denn wir leben hier auf der Erde im kreativen Chaos des Werdens und Vergehens. Da kann man sich zwar nach dem Licht ausrichten, aber das Dunkel ist immer auch da. Da kann man einander zwar den Segen zusprechen, dass Gott sein Angesicht leuchten lasse über uns – aber das bedeutet gleichzeitig, dass es auch anders sein kann, dass es finster wird oder bleibt. Das Leben in der Schöpfung ist Leben zwischen Dunkelheit und Licht, Leben im herrlichen Licht der aufgehenden Sonne und Leben in der bedrohlich sich herabsenkenden Dämmerung, in der man nicht mehr unterscheiden kann zwischen Gut und Böse.
– Wie schon in meiner Begrüßung heute gesagt, heißt es zwar im Schöpfungsmythos, das Licht wurde aus der Finsternis geschaffen. Das heißt aber andererseits nicht, dass die Finsternis nicht mehr wäre oder dass sie nicht auch gut und wichtig wäre. Das Leben hat Anteile von beidem! Das spüren wir daran, dass nicht alle unsere Beziehungen zu Mitmenschen einfach sind, das spüren wir daran, dass unser Körper und unser Geist zu Zeiten nicht mehr mitspielen wollen. Das spüren wir daran, dass wir aus den Ereignissen auf der Welt nicht Gottes Willen ableiten oder herauslesen können. Wer es tut – da bitte ich genau hinzuschauen – der oder die kocht vermutlich ein eigenes Süppchen aus Macht und Manipulation.
Das, was wir spontan als dunkel bezeichnen wollen – gerade damit müssen wir umgehen lernen, wenn wir nicht am Leben zerbrechen wollen. Und deshalb sind eben auch die Finsternis und die Schattenseiten und die Wunden und die Schwächen und die Verluste und die Niederlagen wichtig. Denn das sind die Stellen, an denen wir Menschen reifen.
Nun geht aber, wie wir hören, das griechische, das neue Testament einen anderen Weg. Es zieht eine scharfe Grenze, so eine Art Brandmauer zwischen Finsternis und Licht.
Es wurden Jesusworte überliefert, die ganz stark auf das Licht hin orientieren: Jesus sagt, „ich bin das Licht der Welt“, und an anderer Stelle, es war die heutige Lesung: „Ihr seid das Licht der Welt“.
Und auch im Jesuswort wird ein Zusammenhang gesehen zwischen dem Wandel und dem Licht: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Was ist mit dem Wandel, mit den guten Werken gemeint? –
Der Epheserbrief nennt Früchte des Lichts: „lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“.
Ich meine, es ist klar, worauf das anspielt, Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit: Auf die Lebensweise Jesu, auf seine Option für die Ausgestoßenen, für die Armen, für die an den Rand Gedrängten, für die Rechtlosen, für die Schwächsten.
Lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit – ich möchte die Begriffe mal umdrehen in der Reihenfolge:
Die Wahrheit ist, dass viele Menschen elend leben auf der Erde.
Gerechtigkeit wäre es jetzt, wenn alle wenigstens das Lebensnotwendige hätten. – Davon kann aber keine Rede sein und die Mechanismen der Welt sorgen für Hunger, Krieg und Elend. Wir sind weit entfernt von einer Gerechtigkeit, die jedem Geschöpf ein Lebensrecht einräumt.
Angesichts dieser Situation hilft aus christlicher Sicht nur eins: Güte! Barmherzigkeit! Sich-bewegen-lassen! Abgeben vom eigenen Überfluss! Sich beschränken und zufrieden sein, statt Überkonsum! – Könnte man das heute einen christlichen Wandel nennen? „Lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit“?
Der Epheserbrief definiert hier also das Dunkel um. Es ist nicht mehr ein Dunkel, in dem auch Gott wohnen könnte in seinem letzten Geheimnis. Nein, es geht um eine andere Dunkelheit. Es ist Finsternis, die keine Früchte bringt. Sie ist das Gegenteil von den Früchten des Lichts, vom Wandel im Licht, das Gegenteil von Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit:
– Was ist das Gegenteil von Güte? Gar nicht erst hinschauen, sich zynisch über die Opfer stellen, hart bleiben, sich schützen und abschotten vom Elend. Die Richtung ist klar.
– Was ist das Gegenteil von Gerechtigkeit? Das Beschneiden von Lebenschancen, das Inkaufnehmen von Kollateralschäden, das fein säuberliche Unterscheiden von Anspruchsgruppen und eine daraus folgende Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen.
– Was ist das Gegenteil von Wahrheit? Lüge, falsche Versprechungen, auch Sich-selbst-etwas-vormachen.
Aus der Sicht des Epheserbriefs bringen die Mechanismen der Finsternis in Wahrheit gar keine Früchte hervor – sie bleiben fruchtlos, weil sie gar nicht das Leben wollen. Es sind Mächte des Todes.
So weit, so gut. Es ist ja eine ganz alte Sache, sich selbst als Kinder des Lichts zu stilisieren und die anderen als Kinder der Finsternis. Das ist keine Kunst.
Aber zum Glück bleibt unser Text hier nicht stehen. Er malt nicht Schwarz-Weiß. Denn es ist da eine Bewegung in dem Ganzen: Das ist das Aufdecken, das Offenbarwerden.
Das Licht macht die Machenschaften der Finsternis offenbar.
Und dann ist da noch dieser wunderbar ironische Schlussvers:
„Mache dich auf, der du schläfst! Steh auf von den Toten,
denn (über) dir geht auf der Christus!“
Die geübten Hörerinnen und Hörer von damals wussten, dass hier Jesaja 60 zitiert wird. Wir singen das gewöhnlich im Advent:
„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“
Aufdecken und Aufwachen, Offenbarung des Finsteren und Auferstehung ins Licht. Wir kennen beides als Hoffnungsbilder, die in die ferne Zukunft Gottes weisen.
Der Paulusschüler aber bleibt mit seinem Epheserbrief ganz in der Gegenwart: Das Licht Christi geht längst auf über dir! Du musst nur aufstehen aus deinem Schlummer!
In diesem Licht Christi, das schon längst für alle scheint, verändert sich der Zungenschlag der Worte: „Wandelt als Kinder des Lichts“ lese ich jetzt nicht mehr als moralische Überforderung. – Eine Überforderung, die gewöhnlich bei mir dazu führt, dass ich gar nichts mehr mache und lieber verdränge und innerlich zumache.
Hier aber geht es um den Weckruf: Verpasse nicht diese Sonne, die über dir scheint! Christus im Lichtglanz, Gott in seiner Herrlichkeit, verpasse das nicht! Denn dieses Licht hilft ja dazu, die finsteren, fruchtlosen Werke aufzudecken und zu entlarven. Und das Licht reißt uns mit in eine Begeisterung, die von selbst einen neuen Lebenswandel hervorbringen wird. Ganz ohne Selbstkasteiungen und moralische Klimmzüge.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre …