Liebe Jüngerinnen und Jünger!

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Predigtüber    Johannes 1,35-51

Matthäuskirche Landau, 9.7.2023, Pfr. Dr. Stefan Bauer

Liebe Jüngerinnen und Jünger Jesu,

ja, ihr habt richtig gehört, so dürfen wir uns, wenn es nach dem Neuen Testament geht, nennen. In der Apostelgeschichte des Lukas, da werden ja alle Getauften so bezeichnet.
Christ- und Christin-Sein als Jüngerschaft, das würde ja bedeuten, dass wir alle Lernende sind und Jesus unser Lehrer, der Rabbi.
Ich wäre ja schon stolz, wenn ich mich Jünger Jesu nennen könnte und es auch wäre. Mir fällt es aber schwer, mich so zu sehen. Denn müsste man nicht Jesus persönlich kennen, um sein Jünger zu sein? Ich kann ihn leider nicht mehr „live“ erleben. Ich müsste wissen, wie er lacht, wie er Dinge erklärt, wie er seine verschiedenen Jüngerin-nen und Jünger behandelt, um mich wirklich als sein Schüler zu fühlen.

Es sind andere Bilder und Vergleiche aus der Bibel, die mir näher sind, wollte ich zum Beispiel einem Außerirdischen sagen, was es heißt, dass ich Christ bin.
Da sind die eher symbolischen Bilder vom Leib der Gemeinde – wir sind Glieder an diesem Leib Christi als Gemeinde. Ich denke an das Bild von den Steinen am Gebäude, und Jesus ist der Grundstein des Ganzen.
Bei diesen Bildern ist es klar, dass es eben nur Bilder sind. Sie kommen uns nicht so nahe, als wenn wir uns als Schülerinnen und Schüler von Jesus sehen sollten.
Eher würden wir uns wahrscheinlich noch als Geschwister sehen, aber Jünger?
Wer will denn als erwachsener Mensch wieder lernen müssen? – Oder lernt man über Gott etwa nie aus? Was bedeutet Jüngerschaft? Was bedeutet so ein Lernen von Jesus?

In Matthäus 11,28 erklärt Jesus, was man von ihm lernen kann. Demut und Sanftmut. – Dort lädt Jesus alle, die beladen ihren Lebensweg ziehen, ein, als Schülerin oder Jünger mit ihm unter das Lebensjoch zu kommen und von ihm zu lernen.
Unter einem Joch gehen zwei Ochsen und ziehen mit vereinten Kräften ihre Last. Das Joch bedeutet also nicht eine zusätzliche Last für uns. Es bedeutet, dass Jesus an-bietet, dass er an unserer Seite mitzieht. Das Joch bedeutet Erleichterung. Aber unter dem Joch kommt es darauf an, dass die Ochsen im gleichen Rhythmus gehen, sonst scheuern sie sich wund.
Wenn Jesus neben uns unter demselben Joch die Lebenslasten zieht, dann können wir sein Schritttempo, seine Demut und Sanftmut lernen. Und das wird uns helfen im Leben. – So hat Jesus erklärt, was wir als Jüngerinnen und Jünger von ihm lernen können: Demut und Sanftmut, es geht darum, diese Haltung von Jesus anzunehmen.
Mit unserem Text aus Johannes 1 möchte ich betrachten, wie das ablief, wenn Jesus sich Menschen zu Jüngerinnen berief:

Meine erste Beobachtung ist: Es sind nicht die Jünger, die Jesus finden, sondern Jesus findet die Jünger – Gott ist immer schon auf der Suche nach Menschen wie ein Hirte ein verlorenes Schaf sucht.
Im Markusevangelium beruft sich Jesus seine ersten Jünger am See Genezareth. Später geht Jesus direkt zu dem Zöllner Levi hin. Er sucht ihn gezielt auf in seiner Kassierstube, um ihn einzuladen zur Nachfolge. Und hier im Johannesevangelium wird es bei Philippus am deutlichsten, wer die Initiative hat. Ich lese: Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa ziehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!
Johannes schildert es dann wie eine Art Schneeballeffekt: Der zuerst berufene Jünger spricht wieder jemand Neues an. So findet Andreas seinen Bruder Simon Petrus. Und Philippus findet Nathanael, wobei den auch schon wie-der Jesus zuerst gesehen hatte wie er unter einem Baum saß.
Heute ist die Taufe ein starkes Zeichen dafür, dass Gott uns durch Christus findet. Die Kindertaufe möchte das zeigen, dass noch vor jeder Leistung, die wir erbringen können, Gott uns schon gefunden hat.
Johannes schildert es dann wie eine Art Schneeballeffekt: Der zuerst berufene Jünger spricht wieder jemand Neues an. So findet Andreas seinen Bruder Simon Petrus. Und Philippus findet Nathanael, wobei den auch schon wie-der Jesus zuerst gesehen hatte wie er unter einem Baum saß.
Heute ist die Taufe ein starkes Zeichen dafür, dass Gott uns durch Christus findet. Die Kindertaufe möchte das zeigen, dass noch vor jeder Leistung, die wir erbringen können, Gott uns schon gefunden hat.

Eine zweite Beobachtung: Vergangenheit und Vorgeschichte der Jünger spielen nach ihrer Berufung keine Rolle mehr. Lukas berichtet in seinem Evangelium von den Bedenken des Petrus bei seiner Berufung. Er sagt: Herr, geh weg von mir. Ich bin ein sündiger Mensch!
Doch die Vergangenheit des Petrus interessiert Jesus nicht, denn es geht allein um die Zukunft des Fischers Petrus: Fürchte dich nicht – von nun an wirst du Menschen fangen.
Menschen wurden also nicht aufgrund ihrer Verdienste berufen. Nirgends in den Evangelien werden Menschen nach ihrer Vergangenheit befragt. Sie werden vielmehr von ihrer Vergangenheit befreit zu einer neuen Lebensaufgabe. Dadurch konnten Menschen Jesus nachfolgen, die zuvor entweder bedeutungslose Arbeit verrichteten, solche, die bisher andere Menschen plagten oder auch Menschen, die zuvor krank waren und deshalb am Rand der Gesellschaft lebten. Weder Geschlecht, noch sozialer Stand noch Bildung hinderten daran, ein Teil der Jüngerschaft zu werden und von ihm zu lernen.

Eine dritte Beobachtung zeigt, wie das funktionierte: Die von Jesus Berufenen folgten ihm sofort. Es war nicht wie bei Berufungen von Prophetengestalten des ersten Bundes, wo Mose oder Jeremia mit Gott diskutierten. Jesus hatte eine besondere Autorität – sein Wort ist es, das Menschen ermöglichte ihrer Berufung zu folgen. Jesus spricht mit einer besonderen Vollmacht. Sein Wort bewegt. Andere Mächte können dem nicht standhalten – weder dämonische Mächte, noch Naturgewalten, weder Krankheiten noch Konventionen halten Jesu Wort davon ab, seine Wirkung zu entfalten.

Um unsere Taufe wissend und in dem Bewusstsein, von ihm zuerst berufen und geliebt zu sein, wird man sich als Christ immer wieder an das Wort, das Evangelium, die gute Nachricht, halten. Das ist der Grund, weshalb man sich einen Christen auch nicht ohne Bibel vorstellen kann. Es kann am Sonntagmorgen in der Kirche sein, dass wir uns dem Wort aussetzen. Es kann zuhause sein mit einem Losungskalender oder einem Bibelleseplan. Es kann sein, dass wir Tauf-, Konfirmations- oder Trauspruch im Herzen aufbewahren und zu einem Lebensmotto machen. Der Wege gibt es viele. Aber ohne Bibel gibt es keinen Glauben und ohne Wort keine Nachfolge und Jüngerschaft.

Man kann sogar noch etwas genauer beschreiben, worin die Autorität von Jesu Wort bestand.
Markus beschreibt in seinem Evangelium, wie Jesus, bevor er Simon und Andreas, bevor er danach Jakobus und Johannes und bevor er später den Levi beruft, er sie sah. – Das klingt unbedeutend und banal. Doch es war jeweils ein besonderer Blick Jesu auf die Menschen. Er entdeckte sie nicht einfach nur.
Im 10. Kapitel des Markusevangeliums geht es um Jesu Begegnung mit dem jungen, reichen Mann. Das war eine Berufung, die nicht gelang. Der junge Mann geht am Ende traurig weg von Jesus. Aber mich interessiert jetzt der Blick Jesu. Und da heißt es: Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!
Auch Nathanael erlebt diesen Blick: Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.  Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen.
Die Macht, die von Jesus ausgeht ist die Liebe. Seine Worte sind durchdrungen von ihr, von Demut und Sanftmut – aber schon sein Blick, mit dem er die Menschen ansah, ging in die Tiefe und war voller Liebe. Das brachte Menschen dazu, ihm nachzufolgen und Jünger zu werden. Nathanael ist einer, der am Anfang noch Zweifel hat und der am Ende doch nachfolgt, weil Jesus ihn als Menschen erkannt und angesprochen hat: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres sehen als das.

Noch eine Beobachtung möchte ich von den Jüngerberufungen anfügen: Jesus stellt den Berufenen ein Projekt in Aussicht – Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
Man wird nicht Jünger, um eigene Projekte zu verwirklichen. – Man braucht als Jüngerin kein persönliches Projekt.
Das klingt heutzutage abwegig. Von überall her hören wir, ob wir es wollen oder nicht, dass wir unserem Leben einen Sinn geben sollen, als könnten wir das ganze Leben zu unserem Projekt machen. Dabei gibt es darin so viel, was einfach nur zu tragen ist. Tu dein Ding, ist die Botschaft. Und dazu wird uns eine unüberschaubare Bandbreite an Lebensstilen angeboten.
Die nüchterne Wirklichkeit aber ist, dass das Leben Angeboten folgt, die aus Algorhithmen generiert wurden – aus der Wahrscheinlichkeit von Konsumentscheidungen.

Jesus ist es, der dem Leben der Menschen, die seinen Weg kreuzen, einen Inhalt und ein Projekt gibt. – Jünger-sein bedeutet, einzutreten in die Bewegung Jesu, in seinen Gehrhythmus von Demut, Sanftmut und Liebe. Es bedeutet, in seinem Rhythmus den Lebensweg gehen, nicht allein, sondern gemeinsam das Joch tragen, das durch ihn zu einem sanften Joch wird. Jesus nachfolgen bedeutet, das alte Leben seinlassen, von dem wir nur noch Steigerung, aber keine Veränderung mehr erwarten.

Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.