Herzfaden

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Aktion „Landau liest ein Buch“, Juni 2023, über Thomas Hettche, Herzfaden
Predigt zu einem Gottesdienst mit Tanz am 11. Juni 2023 von Pfarrer Dr. theol. Stefan Bauer

  1. Johannes 4,16-21
    16 Wer in der Liebe lebt, ist mit Gott verbunden, und Gott ist mit ihm verbunden.
    17 Darin hat die Liebe bei uns ihr Ziel erreicht: Am Tag des Gerichts werden wir voller Zuversicht sein. Denn wie Jesus Christus mit dem Vater verbunden ist, so sind es auch wir in dieser Welt. 18 In der Liebe gibt es keine Furcht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn die Furcht rechnet mit Strafe. Bei dem, der sich fürchtet, hat die Liebe ihr Ziel noch nicht erreicht.
    19 Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. 20 Wer behauptet: »Ich liebe Gott!«, aber seinen Bruder und seine Schwester hasst, ist ein Lügner. Denn wer seine Geschwister nicht liebt, die er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. 21 Dieses Gebot hat uns Gott gegeben: Wer ihn liebt, soll auch seine Geschwister lieben.

Liebe Gemeinde,

ich möchte versuchen, die Worte aus dem Johannesbrief mit dem Buch von Thomas Hettche auszulegen. Und das ganz kurz und knapp.

Wir erfahren aus dem Johannesbrief drei Dinge:

  1. Die Liebe und das Leben aus der Liebe heraus ist eine Verbundenheit mit Gott.
  2. Gott gegenüber wirkt sich diese Verbundenheit so aus, dass man mit Gott im Reinen ist. Wer Gott fürchtet, weil er strafen könnte, der ist noch nicht in Liebe mit ihm verbunden.
  3. Unsere Verbundenheit mit Gott führt zu menschlicher Verbundenheit.

Ich finde es wunderbar, dass die BasisBibel hier mit Verbundenheit übersetzt. Es geht um Herzfäden.
Thomas Hettches Roman Herzfaden beschreibt den Versuch, in einer barbarischen Zeit – und danach in der merkwürdig verlogenen Nachkriegszeit, Herzfäden zu den Menschen und zwischen den Menschen zu spinnen.
Walter Öhmichen sagt im Roman: „Wir müssen die Herzen der Jugend erreichen, die von den Nazis verdorben wurden. Und die Fäden, mit denen wir sie wieder an die Kultur anknüpfen, das sind die Fäden meiner Marionetten.“ (S. 128)

Die Verbundenheit des 1. Johannesbrief, und die Herzfäden von Walter Öhmichen sind vergleichbar. Verbundenheit braucht einen Ausdruck und der natürliche Ausdruck der Verbundenheit ist Kultur, miteinander kreativ sein, der Fantasie Raum geben im Leben.

Liebe funktioniert nicht so, dass man den ganzen Tag nur Gutes tut und Menschen hilft. Das kommt schon, das Helfen. Das merkt man auch an den Öhmichens.
Liebe zu den Menschen und zu den Dingen hat eine Kultur: Wie die Öhmichens die jungen Leute für das Puppenspiel begeistern und mit den jungen Leuten in die Diskussion gehen, wie ein Puppentheater für ihre Zeit sein muss.

Noch ein Buchzitat von Walter Öhmichen:
„Als der Krieg vorbei war, sagte ich mir: Je stärker ich die Menschen aus dem Elend entführen kann, desto mehr helfe ich ihnen. (S. 158)
Kultur entführt aus dem Elend. Kultur hilft. Kultur ist ein Akt der Liebe.
Wir wissen vor dem Hintergrund des Dritten Reichs, dass es auch Unkultur gibt, als Ausdruck von Menschenverachtung und Mittel der Massenmanipulation.
Diese Kultur will Verbundenheit nur exklusiv, nur für die Profiteure des Systems.

Auf der anderen Seite sucht sich die Haltung der Verbundenheit, wie sie der 1. Johannesbrief beschreibt, ihre Kultur der Verbundenheit, eine öffnende, eine inspirierende Kultur. Eine Kultur, in der Menschen sich ausdrücken dürfen, wie wir es beim Tanz gerade erleben durften.

Und so möchte ich zum Schluss auf den Herzfaden-Bilderzyklus von Manuela Schwarz-Thomas hinweisen:
Eine Herzfaden-Kultur verführt in Poesie und Fantasie. Wer sich vertieft, der entdeckt Verbundenheit in den Bildern, der spürt die Herzfäden auf, die in diese Bilder hineingemalt wurden und die sich aus den Bildern heraus an das eigene Herz heften, wenn unsere Vorstellungskraft auf Reisen geht.

Der Tanz von KatarinaSophia macht Lust, sich mit dem Körper auszudrücken. Die Bilder von Manuela machen Lust, das Land der Fantasie zu betreten. Und ein guter Gottesdienst als Kulturform der Verbundenheit, soll die Gewissheit stärken, dass es diese Verbundenheit gibt – Herzfäden, die uns mit Gott verbinden, Herzfäden, die uns mit der Welt verbinden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.