Gottesgeist und Jesusliebe

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Predigt zur Bachkantate BWV 68 „Also hat Gott die Welt geliebt“
Am Pfingstsonntag, 28.5.2023, Matthäuskirche Landau
Von Pfr. Dr. theol. Stefan Bauer

1 Korinther 2,12-16
Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt ist.
Und davon reden wir auch nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.
Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was vom Geist Gottes ist; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden.
Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.
Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen«? (Jesaja 40,13) Wir aber haben Christi Sinn.
Liebe Gemeinde,
Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott.
Paulus sagt „wir“ – er meint sich selbst und die Gemeinde, an die er schreibt. Die Gemeinde, von der Paulus ein Teil ist, hat Gottes Geist empfangen.
Bei jeder Taufe spreche ich die Worte, die der Reformator Martin Bucer geprägt hat:
Nimm hin den heiligen Geist, Schutz und Schirm vor allem Bösen, Stärke und Hilfe zu allem Guten …
Oft ist die Vorstellung, dass da bei der Taufe mit dem einzelnen Menschen etwas geschieht. Das stimmt auch: Es geschieht etwas mit dem Einzelnen – er oder sie bleibt nämlich nicht allein, sondern wird durch die Taufe zu einem Glied der Gemeinde.
Christin kann man nicht für sich allein sein. Christ ist man immer nur in Gemeinschaft. Denn nur in Summe wirkt der Geist. Er verteilt seine Gaben wohl auf uns alle als Einzelne – aber nur miteinander können wir den Glauben leben, denn unsere Geistesgaben ergänzen einander.
Es gibt das Missverständnis, Christsein bedeute, sich anstrengen und Jesus nachfolgen, ein guter Mensch sein und Gutes tun.
Aber Christsein ist erst einmal ein ganz großes Geschenk. Uns wird die Gemeinschaft geschenkt. Und daraus ergibt sich der Rest, denn in einer Gemeinschaft ist man füreinander da. In Gemeinschaft empfangen wir die Resonanzen, die wir brauchen.
Den Geist der Gemeinschaft, den meint Paulus, wenn er vom Geist aus Gott spricht. Gott weist uns aneinander. Er fügt durch die Taufe uns der Kirche zu. So werden wir Tempel und Leib Christi zugleich.
Gottes Geist lässt sich nicht begrenzen oder einsperren. Wie es die Apostelgeschichte schildert: Der Geist kam über die Jüngerinnen und Jünger – und noch am selben Tag kam er zu 3000 anderen, die gerade in Jerusalem ein Fest feiern.
Der Geist lässt sich nicht einsperren und nicht dosieren und nicht verwalten.
Deshalb ist immer dann Skepsis geboten, wenn einzelne Menschen oder Menschengruppen von sich behaupten, sie hätten den Geist.
Damals in der Antike und zu allen Zeiten hat es solche geschlossenen Clubs und Mysterienkulte gegeben. Da wurde behauptet, dass nur ein kleiner Kreis in die Glaubensgeheimnisse eingeweiht sei. Die, die neu dazu stießen, bekamen nur nach und nach Teile des geheimen Wissens mitgeteilt. Aber die Priester behielten stets einen Rest an Geheimnis für sich – so viel, dass es genügte, ihre Überlegenheit und ihre Machtposition zu sichern.
Damit wir nicht so enden – in menschlichen Machtspielchen – aus diesem Grund muss eine Kirche, in der Gottesdienst gefeiert wird, offen sein. Kein Gemeindehaus darf verschlossen bleiben oder konserviert werden. Denn, was wir haben als Gemeinde, das haben wir nicht für uns, sondern der Geist will laufen und weiterfließen und wehen.
Weil der Geist nicht zu halten, zu steuern und zu lenken ist, ist Kirche da lebendig, wo möglichst viele und möglichst diverse Menschen andocken und ihre Gaben einbringen können und das auch tun.
Da gilt es, Ideen zu unterstützen, Bedürfnisse wahrzunehmen und darauf dann auch einzugehen, empfänglich zu werden für Initiativen und Impulse, für kleine Anfänge und zarte Pflanzen. So entsteht das Netzwerk vor Ort, an dem der Geist webt.
Die Kirche wurde am Pfingsttag geboren – sie ist die Empfängerin von Gottes Geist! Wir, liebe Gemeinde, wir sind das, nicht als Einzelne, aber als Gemeinde! Als feiernde Gemeinde heute hier. In Gemeinschaft mit allen Evangelischen in der Stadt, im Kirchenbezirk und in der Landeskirche. Und schließlich als christliche Ökumene hier über die Straße und in alle Welt. Das ist das WIR des Paulus.
Morgen um 17 Uhr kommen wir in der Ökumene vor Ort zusammen im Pfingstgottesdienst der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen am Kirchenpavillon.
Paulus, liebe Gemeinde, spricht von zweierlei Geistern: Vom Geist der Welt und vom Geist aus Gott. Wir haben es auch mit Jesu Worten gehört vorhin, wie er zu Nikodemus sagte, nur, wer aus dem Geist neu geboren sei, könne glauben, könne das Reich Gottes sehen.
Von der ersten Sekunde an, war die christliche Kirche etwas Besonderes: Und bis heute sind wir etwas Besonderes. Nicht, dass wir besonders gute Menschen wären!
Nein, leider gab und gibt es Verbrecher und Gewalttäter auch unter Christen und in den Kirchen. Die schrecklichen Nachrichten darüber reißen nicht ab.
Nicht, dass wir besondere Fähigkeiten hätten!
Nein, da ist nichts, was Christen zu besseren Menschen macht. Was macht aber dann den Unterschied aus?
Was die Kirche vor Ort, die Gemeinde zu etwas Besonderem macht, darum geht es ja Paulus:
Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.
Was könnte dieses Geschenk Gottes sein?
Mir fällt nur eins ein: Christus ist der Kirche geschenkt!
Wegen Christus ist die Kirche Kirche.
Und Paulus sagt: Es ist Gottes Geist, der uns das begreifen lässt, dass es sich bei Christus um das große Geschenk Gottes handelt, um das sich die Kirche sammelt und auf dem alle Hoffnung gründet.
Die Bachkantate, die wir heute hören und erleben, die singt das Lied vom Geschenk Jesu. – Es sind schmachtende Worte, die Christiana Mariana von Ziegler ergänzend zu den Johannes-Zitaten gedichtet und die Bach in seine besondere Klangsprache gepackt hat.
Wer sich im Glauben ihm ergibt,
der soll dort ewig bei ihm leben.
Das ist eine Hingabe, die das Versprechen in sich trägt, dem Geliebten ewig verbunden bleiben zu können.
Etwas, was uns in unserem Erdenleben ja nicht vergönnt ist.
Wer glaubt, dass Jesus ihm geboren,
der bleibet ewig unverloren;
Glauben heißt hier, sich ganz persönlich gemeint und gerettet wissen.
und ist kein Leid, das den betrübt,
den Gott und auch sein Jesus liebt.
Die Liebe, mit der Jesus liebt, gibt Widerstandskraft und Resilienz.
Die Arie vor der Predigt brachte die Freude und das Glück zu Gehör, das den Menschen erfüllt, der Jesu Liebe spürt:
Mein gläubiges Herze,
frohlocke, sing, scherze,
dein Jesus ist da!
Weg Jammer, weg Klagen,
ich will euch nur sagen:
mein Jesus ist nah;
Und in diesem Grundton singt der Sopran nach der Predigt weiter:
Du bist geboren mir zugute,
das glaub ich, mir ist wohl zumute,
weil du für mich genug getan.
Das Rund der Erden mag gleich brechen,
will mir der Satan widersprechen,
so bet ich dich, mein Heiland, an.
Widerstandskraft und Resilienz.
Und aus der Erfahrung von Jesu Liebe die Gewissheit, dass wir inmitten von Stress und Krisen gerettet sind.
Wer an ihn glaubet, der wird nicht gerichtet;
Wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet;
Denn er glaubet nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes.
Das werden wir am Schluss dieses Gottesdienstes hören. So endet die Kantate.
Der Geist der Welt kann uns nicht helfen, zu erkennen, welchen Schatz wir mit Jesus haben. Das kann nur Gottes Geist.
Der Geist der Welt spricht menschliche Weisheitsworte, wie wir sie täglich hören. Sie blubbern aus Endgeräten, sie twittern und chatten durchs Internet, sie füllen Zeitungen und Magazine, sie werden auf der Straße in Handys und Smartphones gesprochen und bestimmen wohl die meisten Gespräche, die wir alltäglich führen.
Paulus sagt: Diese Worte bringen uns nicht weiter. Das heißt nicht, dass Worte menschlicher Weisheit gar nichts bringen. Sie sind aber eben vor allem gut für weltliche Probleme –

  • Sie wären z.B. gut dafür, Friedensverhandlungen zu führen – in all den vielen Konfliktherden der Welt.
  • Worte wären gut dafür, sich weltweit an einen Tisch zu setzen, um den Klimawandel zu stoppen.
  • Die Worte menschlicher Weisheit sind gut dafür, zu besprechen, wie Menschen würdevoll leben können, damit sie Arbeit haben und nicht in Armut geraten.
  • Worte menschlicher Weisheit werden dringend gebraucht, um das Beste für die Stadt und das Land zu suchen.
    Auch hier an den kirchlichen Orten brauchen wir die Worte menschlicher Weisheit. Wenn wir überlegen, wie wir in Zukunft für die Menschen da sein wollen.
    Da wird ganz viel menschliche Weisheit gebraucht, das unter den gegebenen Bedingungen gut zu organisieren. Und wo mit menschlicher Weisheit und Geist der Welt gearbeitet wird, da gibt’s Versuch und Irrtum. Das sind wir gewohnt: Wir werden das Beste daraus machen.
    Allerdings zählen unter Christinnen und Christen eben auch noch jene ganz anderen Worte, eine ganz andere Sprache und die ist die entscheidende – der Geist aus Gott.
    Wenn wir an den Glauben kommen, wenn es darum geht, Gott zu vertrauen und wenn wir Jesu Liebe spüren und ahnen, da weigert sich die menschliche Vernunft und unsere Weisheit ist am Ende.
    Aber der Geist erschließt uns, wie es kam, dass dieses Volk Israel immer wieder seinem Gott vertraute. Der Geist lässt uns einleuchten, warum einer, der vor langer Zeit ganz jung gestorben ist, etwas zu sagen haben könnte für uns heute. Der Geist erschließt uns, dass wir uns aus gutem Grund Mühe geben, damit es auch noch in Zukunft Kirche und Gemeinde hier gibt, dass ein Chor singt und eine Orgel erklingt und Jesus Christus die Mitte von allem bleibt, was hier im großen Menschennetzwerk geschieht.
    Und der Friede Gottes …