Ernte und Entlastung

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Vortrag von Pfr. Dr. theol. Stefan Bauer auf der Bezirkssynode Landau, 6.10.2023

Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Diesen Satz lässt Jesus im Gleichnis von den anvertrauten Talenten einen Unternehmer sagen.
Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Wir erleben es in unseren Kirchengemeinden meistens so, dass wir diejenigen sind, die säen. Frustriert sehen wir zu, wie wenig von unserer Saat aufgeht.
Jesus hat auch für diese Situation ein Gleichnis erzählt. Das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld. Aber unsere Zeit fühlt sich so an, als würde sogar viel weniger Saat aufgehen als das von Jesus in Aussicht gestellte Viertel.
Ich möchte Sie einladen, von dem Gedanken wegzugehen, dass wir selber immer säen müssen. Oft handeln wir wie der schlechte Knecht im Gleichnis. Sein Chef hat ihm Geld anvertraut und der Knecht dachte, er muss es behüten und bewachen. Und damit niemand drankommt, hat er es unter der Erde vergraben.

So gehen wir mit dem Evangelium um – wir lassen es einmal in der Woche hinter Kirchentüren von beauftragten Pfarrerinnen verkünden.
Was aber, wenn das Evangelium gar nicht wie ein Schatz behütet und verschlossen werden will? Was, wenn die Schatzkiste sogar leer ist und wir in die falsche Richtung schauen? Was, wenn wir dem Evangelium einfach begegnen könnten? Wenn es einfach auf uns zukommen will? Was, wenn wir ernten können, wo wir gar nicht gesät haben?

Diese Sichtweise wäre eine totale Veränderung, ein Paradigmenwechsel unseres Handelns und unserer Haltung.
An der Matthäuskirche auf der Wollmesheimer Höhe sind wir gerade dabei, diesen Haltungswechsel auszuprobieren. Wir überlegen uns nicht mehr, für welche Zielgruppe wir ein neues Angebot entwickeln könnten, damit mehr Leute kommen. Und dann probiert man aus und ist frustriert, dass man Mühe reingesteckt hat und dann doch keiner kommt. Man hat gesät und es ist nichts geworden.
Wir machen es anders. Wir benutzen weniger den Mund, etwa um allen zu sagen, was richtig ist. Wir benutzen die Augen, um zu sehen, wer ist denn überhaupt in unserer Nachbarschaft? Was tut sich denn in der Kulturszene? Wo sind denn Menschen, die von der Kirche noch etwas erwarten?
Und dann benutzen wir wieder nicht den Mund, sondern die Ohren und hören genau hin:
Ich würde gern Gottesdienste feiern, in denen ich und mein Leben auch vorkommen.
Ich hätte gern, dass nicht immer nur einer spricht.
Ich würde gern mit Anderen Bücher lesen und mich darüber austauschen.
Ich würde gern den Kirchenvorplatz schöner machen, damit man sich dort begegnen kann.
Wenn man ernten will, wo man nicht gesät hat, dann ist es wichtig, nach dem Sich-Umschauen und dem Gut-Hinhören bereit zu sein für Neues. Die Kraft fließt nicht in das, was wir uns als gut überlegt haben, sondern in das, was sich unsere interessierten Gesprächspartnerinnen von Kirche erhoffen.
Die Gesprächspartner dürfen das Reden übernehmen. Wir halten den Mund. Seit Corona wurde das Netzwerk um die Matthäuskirche herum immer dichter und lebendiger.

Es gibt Grundsätze für die Kirche in neuen Gestalten:
Da sind die Interviews mit Interessierten und Nachbarinnen. Eine entscheidende Frage lautet: Wofür würdest du dich in der Gemeinde gern engagieren, wo würdest du mitmachen?
Da ist die Gastgeberschaft, die Freude über Neue, die von allen ausgestrahlt werden muss.
Eine entscheidende Frage lautet: Ist es bei uns schön genug?
Wie können wir es so schön machen, dass man Lust bekommt, sich einzubringen?
Da ist das Wissen, dass jeder Mensch etwas einzubringen bereit ist, wenn er dann auch etwas davon hat. – Wir alle machen Tauschgeschäfte.
Da ist das Wissen um die „magic five“ – dass man etwas Neues nur beginnen kann, wenn mindestens fünf Leute dafür brennen.
Da ist eine Haltung, die nicht wartet, bis die Bedingungen optimal sind, sondern die mit begrenzten Mitteln Dinge möglich macht.
Da ist die Überzeugung, dass über den Glauben in vielen Sprachen und aus vielen Mündern gesprochen werden muss – und nicht nur von einem.
Da muss auch ein Presbyterium sein, das die Erlaubnis gibt, dass so ein selbstermächtigter Bereich sich entwickeln darf.
Und vor allem Menschen guten Willens, die sich auf das Experiment einlassen,
zu ernten, wo wir nicht gesät haben.
Und schließlich braucht es noch das Einplanen von Unterbrechungen bei dem, was man tut. Unterbrechungen, die unser Gehirn wieder kreativ werden lassen und dem heiligen Geist Landeplätze bieten bei uns.

Das Gute ist:
Den Weg der Transformation, den Weg der neuen Gestalten gehen wir nicht allein. Ich erinnere an den sogenannten Heilandsruf Jesu, Mt 11:
Kommt her zu mir alle!
Das Angebot, mit Jesus unter seinem Joch zu gehen bedeutet für uns Entlastung. – Denn ein Joch ist kein Kreuz, das man schleppen müsste, sondern ein Joch teilt die Last unter die Zugtiere auf.
Dann kommt es nur noch darauf an, sich im Schrittrhythmus anzugleichen, von Jesus das Schritttempo abzunehmen.
Dann werden wir den Weg bewältigen und ernten, wo wir nicht gesät haben.
Vielen Dank!