Predigt von Vikar Maximilian Kölsch, Matthäuskirche Landau, 14.01.2024
Brief an die Hebräer 12, 12-18 + 22-25a (Basis Bibel)
12Macht deshalb die müden Hände und die erlahmten Knie wieder stark! 13Und schafft für eure Füße gerade Pfade. Denn was lahm ist, soll nicht auch noch fehltreten, sondern geheilt werden. 14Bemüht euch um Frieden mit allen Menschen und auch um Heiligkeit. Ohne sie wird niemand den Herrn sehen. 15Achtet darauf, dass niemand zurückbleibt und so die Gnade Gottes verliert. Lasst keinen Spross aus einer giftigen Wurzel aufgehen. Sonst richtet sie Unheil an, und viele werden durch sie vergiftet. 16Niemand soll unmoralisch oder ohne Gott leben wie Esau. Der hat für eine einzige Mahlzeitsein Recht als Erstgeborener verkauft. 17Ihr wisst ja: Als er später den Segen und damit sein Erbe haben wollte, wurde er verworfen. Er fand keine Möglichkeit, sein Leben zu ändern, obwohl er unter Tränen danach suchte. 18Ihr seid nicht zum Berg Sinai gekommen, den man anfassen kann –nicht zu dem brennenden Feuer, zu Dunkelheit, Finsternis und Sturm. […] 22Ihr seid vielmehr zum Berg Zion gekommen und zur Stadt des lebendigen Gottes: zum himmlischen Jerusalem. Ihr seid zu Zehntausenden von Engeln gekommen –zu einer Festversammlung 23und zur Gemeinde derer, die als Erste geboren wurden und im Himmel aufgeschrieben sind. Ihr seid zu Gott gekommen, der über alle Gericht hält, und zu den Gerechten. Sie sind schon zur Vollendung gelangt und ihr Geist ist schon bei Gott. 24Ihr seid zu Jesus gekommen, dem Vermittler des neuen Bundes –und zu dem Blut, mit dem ihr besprengt seid und das machtvoller redet als das Blut Abels. 25Gebt acht, dass ihr den nicht abweist, der so zu euch spricht!
Liebe Gemeinde,
wie sieht es denn mit Ihren Neujahrsvorsätzen aus? Haben Sie überhaupt welche gemacht? Das neue Jahr ist gerade mal zwei Wochen alt und oft nehmen sich Menschen zum Beginn des neuen Jahres Dinge vor, die sie ab sofort besser machen wollen: Weniger Alkohol, mehr Sport oder gesünder Essen, das sind so die Klassiker. Wenn ich das jetzt durchziehe, dann schaff ich vielleicht das ausgewogene Leben, was ich brauche, denkt womöglich der ein oder die andere. Wenn ich mich in den Buchläden oder an Zeitschriftständern umschaue, dann findet sich schnell etwas zur Selbstoptimierung, zum leichten Abnehmen, vor allem nach der essenslastigen Weihnachtszeit und den vielen Wegen zum Glück. Auch in der digitalen Welt herrscht daran kein Mangel. Werbeanzeigen mit der neuesten Methoden, wie ich garantiert und motiviert mit nur wenig Aufwand meinen durchtrainierten Traumkörper erreiche oder mit dem neusten Handyspiel, was in meinem Leben noch gefehlt hat, garantiert mit ganz vielen Startressourcen und Superfähigkeiten, damit der Anfang nicht so schwer wird. Und das in den sozialen Medien viele Menschen ein Leben leben, in dem sie die ganze Welt bereisen, feiern gehen, die Natur bewundern, dabei immer super aussehen und keine Probleme zu haben scheinen, kann mir auch ein Antrieb sein, mein Leben komplett umzukrempeln und alles dieses Jahr besser zu machen. Doch das alles ist ja nichts neues. Jedes Jahr schlagen wir uns mit denselben Problemen herum, mal ist man motiviert, seine Vorsätze umzusetzen, möglicherweise auch erfolgreich, dann hat man überhaupt keine Lust dazu, meldet sich in einem Verein oder Fitnessstudio an und bezahlt fürs „Nicht-Anwesendsein“. Und andere nehmen sich gleich gar nichts vor, weil sie den Sinn darin nicht sehen. Wenn ich das Treiben rund um den Jahreswechsel beobachte, ist für mich eine Frage bei allen Haltungen, die man zu den Vorsätzen haben kann, zentral: Was macht ein erfülltes Leben aus?
Ich wette mit Ihnen, dass je nachdem, wen man fragt, ganz unterschiedliche Antworten herauskommen. Ich als noch relativ junger Mensch, würde die Frage ganz anders beantworten, als es vermutlich meine Oma getan hätte. Auch in unterschiedlichen Zeiten wurde diese Frage verschieden beantwortet. Auch die Bibel kann zur Beantwortung dieser Frage herangezogen werden. Und wenn man dort hineinschaut, findet man auch hier verschiedene Ansätze, was ein erfülltes Leben sein kann. Der heutige Text spricht ja am Ende davon. An drei Stellen möchte ich daher versuchen zu schauen, wie die Bibel einen Blick auf unterschiedliche Leben wirft. Vielleicht können wir uns dann so der Frage nähern.
Die Bibel ist ein Werk, mit Geschichten von Gott und vor allem über die Menschen, die mit Gott leben. Gerade im Alten Testament wird deutlich, dass Gott die Menschen begleitet und an ihrem Leben teilnimmt. Die erste Stelle, die ich mit Ihnen betrachten möchte, ist genau so eine. Direkt am Anfang unseres Textes heißt es als Ermutigung: „Macht deshalb die müden Hände und die erlahmten Knie wieder stark!“ Der Verfasser des Hebräerbriefes benutzt hier ein Zitat aus dem Alten Testament, genauer aus dem Jesajabuch. Doch was ist dort der Kontext? Das Volk Israel befindet sich in einer Notlage. Es wird von anderen Mächten, allen voran von den Assyrern, bedroht. Politisch steht viel auf dem Spiel. Wem kann man trauen? Gibt es überhaupt noch einen Weg hier heil rauszukommen? Gott sagt an dieser Stelle den Menschen in Israel zu, dass es einen Weg für sie geben wird. Sie sollen Gott vertrauen. Am Ende, so das Jesajabuch weiter, werden Freude und Wonne die Menschen ergreifen und Schmerz und Seufzen entfliehen. Diese Passage aus Jesaja klingt also hier an der Stelle im Hebräerbrief an. Die Gemeinde, an die der Verfasser des Briefes schreibt, wird wohl in einer ähnlichen Notlage gewesen sein. Man vermutet, dass die Abfassungszeit im Zuge der Christenverfolgung liegen könnte. Die Gemeinden sollen nach dem Autor also auf Gott vertrauen. Er begleitet das Leben, gerade dann, wenn man müde ist und nicht mehr kann. Die Aussicht auf Besserung scheint durch das Zitat aus Jesaja durch. Doch ist das erfülltes Leben?
Versuchen wir es an einer zweiten Stelle: Der Verfasser des Hebräerbriefs spricht über Esau. Der kommt hier aber nicht gut weg. Er wird als unmoralisch und gottlos bezeichnet. Er ist hier also das Negativbeispiel eines Menschen, wie man nach dem Hebräerbrief nicht sein sollte. Doch warum ist das so? Kurz zusammengefasst: Esau ist der ältere Bruder von Jakob. Das bedeutete, dass Esau das Erstgeburtsrecht hatte, welches im Umfeld und in der Umwelt des Alten Testaments sehr bedeutend war, wenn es um die Frage des Erbens ging, wobei hier nur die männlichen Nachkommen berücksichtigt wurden. Der erstgeborene Sohn erhielt demnach mehr vom Erbe als die Brüder, die nach ihm geboren wurden. So wäre es auch bei Esau und Jakob passiert. Doch Esau tauscht sein Recht als Erstgeborener gegen ein Essen ein, welches Jakob ihm zubereitet hatte. Somit erhielt Jakob dieses Recht. Für den Autor des Hebräerbriefs eine schlimme Tat. Später trickst Jakob auch noch ihren Vater aus, sodass Esau noch nicht mal den Erstgeburtssegen seines Vaters bekommt, der ihm zustand. „Er wurde verworfen“, so der Hebräerbrief. Ein hartes Urteil. Esau verliert alles. Er steht sinnbildlich für ein misslungenes Leben. Esau wütet darüber, trauert und muss damit nun umgehen. Ein erfülltes Leben scheint das sicher nicht zu sein. Bei diesem negativen Blick auf Esau lässt es der Hebräerbrief auch bleiben. Esau hats verbockt und jetzt muss er mit den Konsequenzen leben. Also passt auf, dass ihr nicht so werdet, wie er. Im Alten Testament geht die Geschichte zwischen Jakob und Esau jedoch noch weiter. Die beiden treffen zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufeinander. Jakob hat Angst davor. Schließlich war Esau ziemlich wütend und sauer. Doch es kommt anders, als Jakob erwartet. Die beiden Brüder versöhnen sich wieder. Entgegen dem Hebräerbrief ist Esau doch nicht verworfen worden, sondern hat am Ende noch eine Chance auf Frieden für sich erhalten. Ob Esau erfüllt war am Ende?
Eine letzte Stelle möchte ich noch anschauen. Am Ende unseres Textes ist die Rede von einem großen Fest. Ein großes Fest, bei Gott. Wenn wir zu Gott kommen, dann finden wir dort Vollendung, also die Vergebung all unserer Fehltritte. Dort ist alles gut, es herrscht kein Mangel. Es klingt wirklich wie ein Leben voller Fülle. Jesus hat uns das ermöglicht. Und genau dieser Jesus lässt mich an den Stall und die Umstände seiner Geburt denken. Zwischen den Tieren sitzen seine Eltern, Hirten, die für ein Hungerlohn nachts arbeiten müssen, und Fremde, aus einem anderen Land, schauen vorbei. Von Fülle kann da wirklich nicht die Rede sein. Doch Maria und Josef machen das Beste aus dieser Situation, freuen sich über den Besuch und versuchen es sich gemütlich zu machen. Und dort liegt er dann, der Sohn Gottes. Der Gott, der uns ein erfülltes Leben zusagt. Wie passt das zusammen?
Liebe Gemeinde, hier möchte ich mit der Betrachtung der Frage zu einem Ende kommen. Irgendwie sind mir dabei nur mehr Fragen aufgetaucht. Doch immerhin habe ich beim Vorbereiten des Textes für mich eine ungefähre Vorstellung gewonnen, was ein erfülltes Leben für mich bedeuten könnte:
Ich habe aus der Betrachtung für mich rausgezogen, dass die Frage nach einem erfüllten Leben nicht einfach ist. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man sie beantworten kann. Doch eins hat mir die Beschäftigung mit der Frage deutlich gezeigt: Für mich ist ein erfülltes Leben nicht, wenn alles glatt läuft, ich immer alles schaffe, was ich mir an Neujahr vornehme und wenn ich all das haben kann, was ich möchte. Vielmehr sind es die Erfahrungen, die guten, wie die schlechten, die ein Leben reicher machen. Auch wenn mein Leben voller materieller Güter ist, werde ich dadurch noch nicht glücklicher. Schlimmstenfalls gewöhne ich mich an diese Fülle und ich kann sie nicht mehr wertschätzen. An den drei Stellen, die wir uns angeschaut haben, wird deutlich, dass die Leben der Menschen, um die es da geht, nie vollkommen und ohne Schwierigkeiten sind. Die Israeliten werden bedroht, doch sie bekommen Unterstützung von Gott zugesagt. Ihre Erfahrungen und Erinnerungen an die Zeit die bleiben aber. Auch Esau, der es in seinem Leben nicht leicht hatte, wird vermutlich aufgrund seiner Lebenserfahrung gewusst haben, wie wertvoll die Versöhnung am Ende mit seinem Bruder Jakob war. Und Jesus, der unser Schlüssel zu Gott ist, hat ein menschliches Leben gelebt, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Jesus weiß, was es heißt Mensch zu sein. Ein volles und erfülltes Leben beinhaltet für mich daher alle Erfahrungen, die ein Leben zu dem machen, was es ist. Positiv wie negativ. Ohne diese Erfahrungen kann es ein Leben in Fülle nicht geben, da es dann für mich nicht komplett wäre. So würde ich versuchen die Frage nach einem erfüllten Leben zu beantworten. Doch wie sehen sie das? Was wäre Ihre Antwort auf diese Frage?
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsre Vernunft, bewahre unsre Herzen und unsre Sinne in Jesus Christus. Amen