Da ist ein Gott.

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Predigt vom 16.7.2023, Matthäuskirche Landau, Pfarrer Dr. Stefan Bauer

Jesaja 43,1-7

Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Seba an deiner statt. Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Liebe Gemeinde!
Da ist ein Gott, der uns liebt. Das springt aus allen Worten dieser Zeilen. Ein kleines Volk mit Namen Israel bekennt das bis heute: Das ist der Gott, der uns liebt. Wir haben seine Gegenwart in den Jahrtausenden gespürt – wie eine Führung, die uns bewahrt hat durch die schrecklichsten und dunkelsten Zeiten hindurch. So auch in dem Moment, den die Jesajaworte beschreiben: Da wurde das große Ägypten von einem mächtigen Feind erobert, doch Israel durfte aus dem Exil nach Hause zurückkehren, als hätte Gott die anderen Länder als Lösegeld bezahlt für die Freiheit Israels. Es war die Rückkehr aus langen Jahren der Vertreibung. Israel wusste erneut: Da ist Gott! Da ist ein Gott, der uns liebt und befreit.

Da ist ein Gott. Wer empfänglich ist, der spürt es in unseren Kindern, im Wunder einer Geburt, dass da ein Gott ist. Dass da Atmung einsetzt bei einem kleinen Wesen. Dass alles nach Leben nur so schreit. Geschenktes, verdanktes Leben.
Wir vergessen das leicht, weil wir ja meinen, wir sorgen für das Leben.

Da ist ein Gott, wenn wir die wunderbare Fügung betrachten, dass jeder Mensch andere Menschen braucht, dass Resonanz und Nächstenliebe in uns grundsätzlich angelegt sind. Ein Wunder! Viele vergessen das und denken, sie kommen allein zurecht.

Da ist ein Gott. Wer in die Natur schaut, wie es die großen Wissenschaftlerinnen tun, der entdeckt so viel Unerklärliches: Dass etwas ist, und nicht nichts. Dass es so einen Planeten wie die Erde überhaupt gibt – im genau richtigen Abstand zur Sonne und von einem Mond begleitet, der die Drehung bewirkt, sodass Licht und Dunkel wird, dass es Jahreszeiten, dass es Ebbe und Flut, dass es Leben gibt in solcher Fülle.
Wir vergessen das leicht, weil wir ja meinen, das sei alles nur für uns da und wir können nach Belieben eingreifen und die Dinge verändern.

Da ist ein Gott. Wir erfahren das an den Grenzen, die er setzt. Kein irdisches Leben währt ewig. Es wurde jedem sein Ende gesetzt – und keiner könnte erklären, warum – nicht einmal, wie genau das alles so abläuft – da wissen wir vom Leben ebenso wenig wie vom Ende des Lebens. Das alles ist gesetzt. Wir erfahren das als Grenze. Ist es nicht letztlich gut, dass wir Grenzen erfahren?
Wir vergessen so leicht, dass Grenzen ihren Sinn haben, weil unser Geist und auch die Gier alle Grenzen übertreten möchten.

Da ist ein Gott, liebe Gemeinde. Menschen gehen in Kontakt mit ihm. Menschen beten, lesen die alten Worte. Menschen gehen in die Stille, in die Meditation und entdecken eine Kraftquelle in ihrem Inneren. Etwas, das die Verzweiflung zurückdrängt. Etwas, das sich nach unbändiger Lebensfreude sehnt. Es ist in uns und man kann es aufspüren.
Wir vergessen das leicht, weil wir am liebsten immer powern würden und vergessen haben, wie man in die Stille geht.

Da ist ein Gott. Aber Viele spüren nichts von ihm. Sie sind nicht empfänglich, wurden vielleicht an eine Welt ohne Gott gewöhnt. Sie nehmen vielleicht alles als einen Zufall. Sie möchten vielleicht auf keinen Fall irgendjemand Rechenschaft schuldig sein, außer sich selbst. Sie härten sich ab gegen den Gedanken, dass da ein Gott sein könnte. Sie wollen ihr Ding machen und nicht fragen müssen.

Und dann erleben manche eine Krise – Unfall oder Krankheit, Streit oder Krieg, unfreiwilligen Abschied, Job-Verlust, eine vergeigte Prüfung, eine gescheiterte Beziehung. – Das sind unfreiwillige Unterbrechungen. Risse im gewohnten Verlauf, Risse im Gebäude aus Gedanken und Erwartungen, das wir gebaut haben. Und durch die Risse scheint ein Licht, das den Blick freigibt.
Und dann sehen Menschen, wie wertvoll die Dinge und gar die Menschen sind. Dann sortiert sich alles in die Haupt- und in die Nebensachen. Hauptsache gesund! Hauptsache am Leben! Hauptsache satt! Hauptsache ein Dach über dem Kopf! Hauptsache da ist dieser Mensch, der mein Herz wärmt.
Und es ereignen sich Dinge, die man nicht für möglich gehalten hätte bevor der Riss durch alles ging. – Menschen erleben spontane Hilfe. Menschen finden Heilung, weil es Medizin und gute Ärztinnen gibt. Menschen entdecken an sich Fähigkeiten, die sie sich zuvor nicht zugetraut hätten.
Früher hat man zu diesen Momenten und Einsichten Offenbarungen gesagt.

Liebe Gemeinde, so oft wurde die Erfahrung gemacht: Da ist ein Gott.
Ganze Bücher wurden aufgeschrieben darüber. Unglaublich, welche Worte Menschen dafür fanden. Die biblischen Psalmlieder bieten ein ganzes Wörterbuch von Namen für Gott, für diese Erfahrung.
Aus dem Jesaja-Text greife ich mal folgende heraus:
Gott, der sich Israel, sein Volk, geschaffen hat.
Gott, der die Angst nimmt und sagt: Fürchte dich nicht!
Gott, der beim Namen ruft und sagt: Du bist mein!
Gott, der mit dir geht in Wasser und Feuer.
Gott, dem du teuer bist, der dich liebt.
Gott, der dich in die Gemeinschaft bringt, dich sammelt.
Gott, der sein Volk sich zur Ehre geschaffen hat.

Es gibt eine Zugehörigkeit zu diesem lebendigen Gott, dem Urgrund von allem, was ist. In alter Zeit haben die Israeliten das durch den Verlauf ihrer Geschichte hindurch gespürt, dass da eine Führung ist, dass sie Bewahrung erleben, wo sie doch am Versagen und Verzweifeln sind, dass ihnen Menschen, Stimmen geschickt werden, Warner, Propheten, mutige, kämpferische Richterinnen. Das Volk erlebt Befreiung, es erlebt Exil und Wieder-Heimkehr. Es hält an diesen Erfahrungen fest, denn für die Israeliten waren das die Begegnungen mit diesem Gott des Bundes und der Gebote. Mit diesem Gott, der sein Volk liebt. So hat Israel erfahren, dass es zu diesem Gott gehört.

Für uns ist es anders. Die Geschichte, die unsere Voreltern durchlebten, ist nicht so eindeutig. Sie ist durchwachsen, eingetrübt, mehrdeutig und vielfach düster.
Es ist etwas Anderes, was uns einen Zugang zu Gott gibt. Das ist die Taufe. Wenn Eltern ihre Kinder taufen lassen, dann bringen sie diese Zugehörigkeit zum Ausdruck: Kind, du gehörst nicht nur uns, sondern auch Gott. Er hat die Grenzen des Lebens gesetzt. Er hat dein Leben gewollt. Er hat für dich gesorgt und er wird weiter für dich sorgen. Er gab dir Gaben, mit denen du das Leben gestalten kannst. Er pflanzte diese unbändige Liebe zum Leben in dich hinein. Er freut sich über deine Lebensfreude.
Ich gehöre zu Gott. Das ist gleichbedeutend mit: Ich bin getauft. Du Gott, bist mein Schöpfer, mein Retter, meine Kraft, den Weg vor mir zu gehen. Meine Inspiration für alles Schöne. Die Kraft zu allem Guten.

Wer sich Gott so zugehörig fühlt, der kommt in die Freude. Menschen feiern Gott durch ihre Gaben. Durch wunderbare Gemälde und Kunstwerke aller Art, durch gesetze Worte, zauberhafte Poesie, durch deine Lieblingsmusik, die dir Schauer über den Rücken laufen lässt, wenn du sie laut hörst.
Menschen feiern Gott durch ihre Freude, in der Menge der Jubelnden auf dem Betzenberg oder auf dem Rockfestival und in den Armen eines Geliebten oder, wenn wir ein kleines Händchen in unserem halten. Im Singen und Tanzen, in aller Lebenslust feiern Menschen den Gott des Lebens.

Den Gott, der da ist. Den Gott, der da ist.
Amen.