Von Liebe, Wahrheit und Gemeinschaft

image_pdfPDF herunterladenimage_printText drucken

Predigt von Pfr. Dr. theol. Stefan Bauer am 5.1.2025, Matthäuskirche Landau

1 Johannes 5,11-13
Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das Leben;
wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.

Liebe Gemeinde,
kann das Leben mehr sein als Leben?
Vermutlich beinhaltet jede Religion eine Vorstellung vom wahren bzw. vom falschen Leben.
Religionen gehen davon aus, dass man das Leben verfehlen kann. Dass man im Widerspruch zu Gott, in Trennung von Gott leben kann. Das meint ja das alte Wort Sünde: Absonderung von Gott.
Viele Weltanschauungen gehen davon aus, dass man dem Leben Sinn verleihen kann. Bei Religionen kann man das wahre Leben finden, indem man im Einklang mit Gott lebt. Sei es in Form von überlieferten Geboten und Verboten, die man achtet. Sei es, indem man einem Weg folgt, z.B. dem Weg Jesu, der Nachfolge.

In diesem Gelände bewegen wir uns heute. Es ist die Annahme, dass es ein gelingendes, gutes Leben gibt und die Möglichkeit des Scheiterns.
Der Schreiber des 1. Johannesbrief möchte nun seiner Gemeinde versichern, dass es zu diesem gelingenden Le-ben zuerst einmal nur einer Sache bedarf: Es genügt, an Christus zu glauben! In den Worten des Briefs:
an den Namen des Sohnes Gottes zu glauben.
Und diesen Glauben setzt der Apostel bei seiner Gemeinde voraus wie eine schon längst geschehene Rettung.

Dieser Glaube an Christus hat hier nun aber weitreichende Konsequenzen. Sie reichen einerseits über diese Welt und dieses Leben hinaus in das ewige Leben Gottes.
Die Konsequenzen des Glaubens zeigen sich aber ebenso auch im Leben der Gläubigen: Als würden sie aus einer besonderen Quelle schöpfen.
Die Quelle des ewigen Lebens, die der Glaube erschließt, reicht in den Himmel und befähigt deshalb auch auf Erden zu einem erfüllten Leben, zu wahrem Leben.
Das ist jetzt sehr bemerkenswert: Das ewige Leben wird nicht nur im Jenseits gesehen, nicht nur dort, wo wir leider nicht hinschauen können.
Der 1 Johannesbrief versichert, dass diejenigen, die Christus haben, auch hier und jetzt schon ein besonderes Leben haben.
Wisst, dass ihr das ewige Leben habt,
die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes! (…)
wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.

Das ewige Leben scheint eine Spur auf Erden zu ziehen. – Logisch: Denn unser Glaube besagt ja, dass Gott selbst in Christus Mensch wurde und in unsere Welt einging.
In johanneischen Vokabeln ausgedrückt: Das ewige Le-ben, das uns in Christus gegeben ist, verändert das irdi-sche Leben und gibt ihm besondere Liebe, besondere Wahrheit, besondere Kraft.

Geht das denn einfach so, den „Sohn zu haben“: Wer den Sohn hat, der hat das Leben.
Woran, frage ich mich, merkt man, ob jemand „den Sohn hat“?
Es muss doch ein Zeichen geben dafür, das Klarheit gibt: Ist der Glaube da oder nicht? Denn die Folgen sind ja schwerwiegend:
Wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.
Heißt es im Brief.
Wie kann sich der Apostel so sicher sein, dass seine Gemeinde, seine Adressaten, an Christus glauben und somit Anteil haben am ewigen Leben, am wahren Leben?

Dazu gibt es Informationen im Brief. Es handelt sich bei den Gläubigen um Menschen mit einem besonderen Verhältnis zur Wahrheit. Sie geben ihre Verfehlungen und ihre Schuld offen zu und wollen vor Gott und auch vor ihren Mitmenschen nichts verheimlichen. Sie wollen sich nicht als unfehlbar darstellen, sondern geben sich untereinander als Menschen mit Macken und Fehlern, die sich täuschen und anderen dadurch schaden können. Die das aber um der Gemeinschaft willen zuzugeben bereit sind.
Dazu ermutigt der Brief, wenn da zu lesen ist :
Wir betrügen uns selbst, wenn wir behaupten:
»Wir haben keine Schuld auf uns geladen!«
Dann wirkt die Wahrheit nicht in uns.
Wenn wir aber unsere Schuld eingestehen,
ist Gott treu und gerecht:
Er vergibt uns die Schuld und reinigt uns von allem Unrecht, das wir begangen haben.
Wir machen sogar Gott zum Lügner, wenn wir behaupten:
»Wir haben noch nie etwas getan,
wodurch wir schuldig geworden sind!«
Dann wirkt sein Wort nicht in uns.

Das ist also ein Kennzeichen des Glaubens, diese Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, sich selbst gegenüber und Gott gegenüber. Heute weiß man, wie wichtig eine Fehlerkultur ist, dass man Fehler nicht verteufelt, sondern mit ihnen rechnet und offen umgeht, damit man daraus lernen kann.
Gegenläufig ist heute leider ein Trend ganz stark, dass man nach außen hin perfekt erscheinen will. Das kommt durch den Druck der Influencer-Kultur und durch den scheinbaren Zwang zur Selbstoptimierung. Dahinter steht ja die Not-wendigkeit des Arbeitsmarkts, sich heute selbst vermarkten zu müssen. Das Narrativ: Du kannst alles werden – es liegt nur an dir… Fehlerkultur, Selbstannahme, Kooperation und Ko-Kreation können da heraushelfen.
Gott ist für den Briefschreiber Licht und Liebe. Und das verbindet er mit der Erwartung eines weiteren Kennzeichens bei den Gläubigen: Er erwartet, dass auch sie Licht und Liebe sind. Darin zeige sich, dass sie „den Sohn haben“. Darin zeige sich, dass sie das Leben nicht verfehlen. Nicht einfach in der Behauptung, Jesus zu haben, sondern in einem Leben aus Licht und Liebe.

Und deshalb ist der Schlüsselbegriff im 1 Johannesbrief die Liebe. Und ich lese weiter im 1. Kapitel (Übersetzung Berger/Nord):
Gott ist Licht, keinerlei Finsternis ist in ihm.
Wer behauptet, Gemeinschaft mit ihm zu haben,
mit seinem Handeln aber in der Finsternis bleibt,
der tut nicht, was Gott will, weil sein Wort Lüge ist.
Wenn wir aber unser Handeln am Licht ausrichten, weil Gott auch im Licht ist, dann stehen wir mit ihm und unter-einander in Gemeinschaft.
Dann kann das Blut Jesu, des Sohnes Gottes,
auch wirklich jede Schuld von uns abwaschen.

Wahrhaftigkeit und Licht hängen zusammen. Und dort, wo sich Menschen im Glauben nach Wahrhaftigkeit und dem Licht von Gott her ausrichten, da entsteht das, was dieser Brief vor allem im Blick hat: Gemeinschaft mit Gott und Gemeinschaft mit den Geschwistern.
Der christliche Gemeinschaftsgedanke geht heute nicht so an uns. Außerhalb familiärer Bande ist ja die einzige Verbindlichkeit, die wir miteinander pflegen das Geld. Wir sind scheinbar nicht auf Gemeinschaft angewiesen, weil wir uns ja alle Bedürfnisse mit Geld decken können. Wenn wir denn genug Ressourcen haben. Den Rest besorgen ano-nyme Institutionen der Gesellschaft und des Staats, denen wir unsere Ansprüche hinhalten. Auch dahinter steht die abstrakte Währung, denn das Geld der Steuern soll die Leistung der Institutionen begleichen. Mehr ist dann von uns nicht gefordert. Nichts an Menschlichkeit, nichts an Solidarität. Denn auch dafür gibt es Institutionen, wie Diako-nie und Caritas.

Ich glaube wegen dieser sozialen Verhältnisse ist der Ge-meinschaftsaspekt des Glaubens in den Hintergrund getreten. – Jesus haben – das meint aber nicht den individuel-len Zustand nur jeweils einer Person. Jesus haben bedeutet miteinander Leben – und Leben ist verbunden mit den Mitmenschen und Mitgeschöpfen.
Natürlich ist der Galube an Jesus ein persönlicher Halt in Krisen und im Leben generell. Wenn wir ratlos sind, vor Entscheidungen stehen, die uns schwerfallen, wenn wir Men-schen verlieren, wenn wir Katastrophen erleben und wenn wir merken, wie unser eigenes Leben vergeht. Dann gibt der Jesus-Glaube persönlichen Halt.
Aber es ist zu eng gedacht, Glauben NUR als persönliches Ding zu sehen. Denn auch für die persönlichen Krisen ist es besser, wenn wir von einer Gemeinschaft getragen werden, die unseren Glauben teilt. Es ist besser, wenn ich Aufmerksamkeit und Resonanz finde unter Menschen, die meine Hoffnung teilen. Nur dann ist es Leben aus Christus. Deshalb teilen wir auch symbolisch Christus immer wieder unter uns bei der Feier des Abendmahls.

Krankheit, Sorge, Einsamkeit und Altwerden können in Gemeinschaft viel besser getragen werden als nur von der Kernfamilie und bezahlten Diensten. Gemeinsame Aktivitäten stärken die Gemeinschaft. Es ist wichtig, Orte, dafür zu behalten, vielleicht in gemeinsamer Verantwortung. Man könnte es sich zur Aufgabe machen, dass niemand übersehen wird, dass durch eine Willkommens- und Gastgeberkultur sich niemand ausgeschlossen fühlt.

Ich bin voller Hoffnung. Denn: Irgendwann wird sich der Trend des Virtuellen und der Künstlichen Intelligenz wieder umkehren in ein großes Bedürfnis nach wirklichen Bezie-hungen, authentischen Begegnungen und menschlicher Intelligenz. Das ist meine Hoffnung im Großen.
Und auch in Bezug auf die christliche Gemeinschaft bin ich zuversichtlich: Denn je mehr die Kirche als Institution ab-stürzt, desto wichtiger wird die Gemeinschaft wieder wer-den. Kirchen erhalten als Begegnungsorte und als Nachbarschaftszentren, als Räume für Gottesdienste und Feier – das wäre so eine Aufgabe für eine neue Kultur der Ge-meinschaft.

Wer den Sohn hat, der hat das Leben;
wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.

Am Beginn eines neuen Jahres laden uns diese Worte ein, die Sehnsucht nach dem Sohn wach zu halten. Den eigenen Weg als einen Weg mit Jesus zu verstehen und Jesus bewusst einzubeziehen in unser Leben, nicht nur sonntags. Das ist der Weg von Gemeinschaft, Liebe und Wahrhaftigkeit, den der 1 Johannesbrief empfiehlt.
Seinen Leserinnen und Lesern und auch uns.
Und der Friede Gottes …