Predigt von Pfr. Dr. theol. Stefan Bauer
Sonntag Kantate 2025, Matthäuskirche Landau
Apostelgeschichte 16,23-34
23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.
Liebe Gemeinde, Paulus und Silas Psalmen singend im Gefängnis von Philippi – das ist eine meiner biblischen Lieblingsszenen.
Im Gefängnis singen, das ist wie im Bauch des Fisches singen, wie es Jona getan hat. Im innersten Gefängnis sitzen Paulus und Silas, in den Eingeweiden des Fisches sitzt Jona – und diese frommen Gottesmänner und Apostel können noch singen? Ja, mehr noch, genau diese finsteren Orte sind die Orte, wo sich der Glaube bewährt! Paulus, Silas oder auch Jona, sie danken ihrem Gott. Warum sollten sie Gott nicht mehr danken, nur weil sie in schwieriger Lage sind?
Gott ist es ja nicht gewesen, der sie in diese Lage gebracht hat: Jona wusste genau, dass er sich selbst in die Bredouille gebracht hatte, in dem Moment als er vor seinem Auftrag davonlaufen wollte. Sein eigenes menschliches Versagen hatte ihn in die missliche Lage gebracht.
Und auch bei Paulus und Silas waren es Menschen, die sie in das Verlies gebracht hatten – die habgierigen Sklavenhalter, denen die Frau mit dem Wahrsagegeist gehört hatte. Ihre Habgier war es, die sie dazu brachte, Paulus und seine Begleiter anzuschwärzen.
In der finstersten Not Gott noch mit Gesang zu loben, laut zu beten, das ist ein beneidenswerter Glaube. Das feste Wissen: Mein Gott ist ein barmherziger Gott. Mein Gott hat das freundliche Gesicht Jesu. Mein Gott liebt das Leben und ermutigt mich zum Leben – dafür muss ich ihn loben und preisen in meinen schönsten Tönen. Und zwar auch und gerade dann, wenn Menschenwillkür zuschlägt und man darunter zu leiden hat. Gerade dann gibt Gott uns Kraft und der Glaube bringt eine Hoffnung hervor, die einen wieder aufrichten kann, und lägen auch die eigenen Füße, wie die von Paulus und Silas, im Block.
Singen und Beten und Gott Preisen, liebe Gemeinde, das ist nicht nur etwas für Schönwetterphasen, sondern auch für Sturmtiefs, Unwetter und Dauerregen. Deshalb üben wir doch hier sonntags immer das Singen, damit uns in schlechten Zeiten immer wieder die guten Strophen einfallen:
„Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust!“
Solche Zeilen sind eiserne Rationen – und weil sie nicht nur geschrieben oder gesprochen sind, sondern auf eine Melodie gesungen werden, deshalb vergisst man diese eisernen Rationen nicht so leicht. – Jeder Mensch hat noch ein Kinderlied oder Schlaflied im Ohr, das Mutter oder Vater oder auch die Oma früher gesungen haben. Und ich weiß aus Erfahrung, was es bedeutet und bewirkt am Bett eines sterbenden Menschen Lieder zu singen.
Beim Nachdenken wird jede und jeder von uns solche eisernen Rationen finden, Oden an die Freude, Hallelujas, Kirchenlieder und Kinderlieder. Alles, was man braucht, um in höchsten Tönen Gottes Loblied zu singen. Machen wir uns bewusst, dass wir diesen Schatz haben – und pflegen wir ihn auch in vertrauten und in immer neuen Klängen und Tönen!
Unser regelmäßiger Abendklang-Gottesdienst ist ja als so eine Möglichkeit gedacht – das rationale, diskursive, argumentative und lehrhafte mal klein zu schrumpfen und dafür groß zu machen, dass wir uns in gemeinsames Sprechen, in gemeinsame Lieder zu betten, uns eingefügt zu fühlen und uns auf dem Klang der immer gleichen, gewohnten, vielleicht sogar mehrstimmig gekonnten Lieder auf Gott zu konzentrieren.
So viel zum Singen und Gott Loben. In der zweiten Hälfte unseres Texts aus der Apostelgeschichte, wird dann eine sehr berührende Geschichte erzählt. Ich frage mich, warum Lukas uns den Namen des Kerkermeisters nicht aufgeschrieben hat? Denn in diesen 7 Versen geht es um seinen Weg zum Glauben an Christus. Es ist ein bemerkenswerter und vorbildlicher Weg, den es sich lohnt zu betrachten:
Zuerst fühlt man sich nach Japan versetzt – denn der Gefängnischef möchte Harakiri machen und sich in sein Schwert stürzen. Ob er Angst vor Bestrafung hatte? Weil anscheinend seine Gefangenen infolge des Erdbebens entkommen waren? – Das ist schwer vorstellbar bei einem Mann in seiner Position – er hatte doch auch Familie, wie wir später hören. Es ist wohl tatsächlich mit den japanischen Offizieren im 2. Weltkrieg vergleichbar. Die Ehre dieses Mannes wäre beschädigt gewesen – und aus Ehrengründen hat sich schon so mancher umgebracht und werden bis heute auch Menschen ermordet.
Paulus rettet in letzter Sekunde den Mann vor dem Suizid, da hatte der schon entschlossen sein Schwert gezogen, um sein Leben zu beenden.
Wir lesen hier also von einer Rettung: Paulus rettet den Kerkermeister vor seinem fatalen Schritt. Dadurch, dass Paulus ihm ganz laut zuruft, dass alle da sind, dass es keinen Grund gibt, sich entehrt zu fühlen, dadurch wird dem Mann sein Leben wiedergeschenkt, mit dem er bereits abgeschlossen hatte – da wurde einer neu geboren.
Was sich daraus ergab, das wird leider nur sehr kurz beschrieben: 30 Und der Kerkermeister führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?
31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.
Wir erfahren, dass dieser Mensch sein Leben wiedergeschenkt bekommt. Wir erfahren, dass er nun ganz neu auf sein Leben blickt und nach dem Sinn des Lebens fragt: „Was muss ich tun, damit ich gerettet werde?“
Paulus und Silas laden ihn zum Glauben ein, erzählen ihm und seiner Familie und allen in seinem Haus von Christus und der frohen Botschaft.
Und nun ist es so schön zu sehen, wie der Kerkermeister reagiert: Er lässt sich jetzt nicht unmittelbar taufen, sondern er tut vorher noch etwas Anderes. Eigenhändig wäscht der Mann Paulus und Silas die Wunden, die durch die Stockschläge auf dem Marktplatz von Philippi zurückgeblieben waren.
Vor der Taufe steht die barmherzige Tat. – Niemand hat sie zur Bedingung gemacht. Wir verstehen auch nicht, warum die beiden Apostel nicht früher versorgt wurden.
Aber eins steht fest – nachdem der Kerkermeister von der Liebe Jesu erfahren hat, möchte er zuallererst diese Liebe weitergeben.
Daran können wir sehen, liebe Gemeinde, dass dieser Mann die christliche Botschaft verstanden hatte. Der Glaube an Christus hat ihn zu einem neuen Menschen werden lassen, noch bevor ihn das Wasser der Taufe berührt hatte.
Liebe Gemeinde, viele denken, es reicht, von Jesus zu erzählen, dann sei unser christlicher Missionsauftrag erfüllt. Aber Reden ist nicht alles. Singen ist schon mehr. Aber hier dringt der Glaube unmittelbar ins Leben ein. Paulus und Silas bezeugen ihn, indem sie den Kerkermeister vor sich selbst retten.
– Der Gerettete dankt den Rettern und sieht sein Leben mit neuen Augen. Er beginnt zu fragen.
– Und als die beiden Christen die Offenheit dieses Menschen erkennen, als sie erkennen, dass er nach dem Sinn seines neuen Lebens sucht, da beginnen sie, von Christus zu erzählen, durch den ihr eigenes Leben einen Sinn bekommen hat.
– Da passiert dann die entscheidende Wende: Dass er erkennt, dass er nicht für sich allein lebt, dass er plötzlich auf das Leid seiner Mitmenschen aufmerksam wird. Bevor nur irgendetwas Anderes geschehen kann, müssen erst die Wunden versorgt werden.
– Und am Schluss wird eine Familie getauft.
Liebe Gemeinde, Verkündigung bedeutet nicht, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit von Jesus anzufangen, egal, ob die Menschen, mit denen ich spreche, dafür offen sind oder nicht. – Mit so einer Art Evangelisation mit dem Holzhammer schmeichelt man höchstens sich selbst.
Vielmehr geht es bei der Verkündigung darum, zu erkennen, wie es einem Menschen geht, ihn so gut zu kennen, dass man im Augenblick der Krise ein rettendes, befreiendes Wort sprechen kann. Man muss also ganz für den Anderen da sein und sich in ihn und in seine Not hineinfühlen.
Wenn sich dann die Gelegenheit ergibt, für einen anderen Menschen wirklich etwas Gutes zu tun und dadurch in diesem Menschen eine gewisse Dankbarkeit und Offenheit entsteht und dieser Mensch dann von sich aus zum Fragen nach Gott kommt, und wenn der Mensch uns dann anspricht – dann ist der Zeitpunkt da, vom eigenen Glauben zu erzählen.
Amen.