Predigt von Pfr. Dr. theol. Stefan Bauer
Pfingstsonntag 2025, mit Übergabe der Rauminstallation „Ruhepol/Herzfaden“ von Manuela Schwarz-Thomas in der Matthäuskirche Landau
Johannes 14,15-19
Christus spricht: Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Liebe Gemeinde!
Wir hören heute von einer Liebesgeschichte, von einer love affair.
Jesus spricht liebevoll mit seinen Jüngerinnen und Jüngern. Er bereitet ihren Abschied von ihm vor. Und zwar in Sorge um ihre Seelen. Er weiß, was kommt. Er betreibt Seelsorge. Das macht er sehr professionell, wie aus dem Lehrbuch der Trauerarbeit. Ich weiß das. Ich kenn mich da auch ein bisschen aus. Er gibt ihnen etwas zu tun, damit sie nicht in ein Loch fallen nach seinem Tod. Seine Gebote sollen sie halten, sich erinnern an seine Art, die Welt und die Menschen anzuschauen, an die Barmherzigkeit und an die Verbindlichkeit, die Kraft aus Gott, die unbändige Hoffnung. Das ist schon mal sehr hilfreich nach einem Verlust.
Aber Erinnerung allein holt nicht aus der Depression nach einem endgültigen Abschied. Besser ist es, wenn man eine praktische Aufgabe hat – und wenn es die Pflege eines Grabes ist. Oder es ist die Sorge um die anderen, die auch zurückbleiben – so wie Jesus am Kreuz noch den Lieblingsjünger und Maria, seine Mutter, aneinander verweist: Seid füreinander da. – So kann auch die Verbindung zu ihm selbst lebendiger bleiben.
Das ist eine bewundernswerte Stärke, wenn ein Mensch, der seinen Tod kommen sieht, so an seine Lieben denkt, dass er ihnen etwas zu tun hinterlässt, dass er sie auf Ziele einschwört – Gebote halten, Lebensworte bewahren, lebendig halten, zueinander halten, sich umeinander kümmern.
In der Team-Fortbildung für unser Pfarrerteam in Landau haben wir das auch gelernt: Ihr könnt nur ein Team sein, wenn ihr 1. ein gemeinsames Ziel habt, das euch allen wichtig ist und wenn ihr 2. einander unbedingt braucht, um das Ziel zu erreichen.
Jesus bringt sein Team auf den Weg:
Haltet meine Weisungen – euer gemeinsames Ziel!
Bleibt zusammen – ihr habt einander alle nötig!
Dazu kommt aber jetzt etwas, was man nicht im Team-Coaching bekommt: Es gibt den Heiligen Geist! Die Jüngerinnen und Jünger werden in einem Geist verbunden sein – aneinander gewiesen, im Geiste einig. Und zugleich wird dieser Geist ein Tröstergeist sein. Er wird ihren Schmerz ernstnehmen und wird sie im Schmerz ganz festhalten. Das wird ihnen das Gefühl der Haltlosigkeit und des Verlorenseins nehmen. Er wird ihnen Jesu Worte und Taten noch einmal neu erschließen, so dass sie jetzt mit offenen Augen sehen werden, was und wer Jesus wirklich war.
Und auf diesen Trost und auf die damit verbundene neue Kraft haben sie dann auch gewartet, in Geduld mit sich selbst und geduldig miteinander – vom Passahfest bis zum Laubhüttenfest, damals in Jerusalem, eingeschlossen in einer Stube, bemüht, sich für diesen verheißenen Geist vorzubereiten. Und dann doch völlig überwältigt von der Begeisterung des Tages, den wir heute Pfingsten nennen – der Ursprung der Kirche, der Aufbruch der Jesus-Leute, hinaus aus der Stube, nach draußen, hinein in die Welt, in den bunten Trubel der festlichen Stadt Jerusalem.
Wir hören, das ist zwar in eine Welt, die den Geist gar nicht erkennen kann, geschweige denn empfangen kann. Die Welt sieht die Geistkraft nicht und kennt sie nicht, sagt Jesus voraus. Aber ihr, ihr werdet sie kennen. Und sie wird von da an eure Kraft sein und in euch bleiben und mit euch gehen, auch wenn ihr aus der Gemeinschaft als Einzelne oder zu zweit losziehen werdet, um von Jesus zu berichten und von dieser alles überwältigenden Nachricht, dass alles ins Fließen gekommen ist – Tod und Leben nicht mehr unüberwindbar getrennt, sondern fließende Grenzen, in denen man aber einander verbunden bleibt in dem Einen, in Jesus. – Damals an den Anfängen. Und bis heute.
Liebe Gemeinde, in unserer Kirche hat sich etwas verändert. Da wurde eine Ecke neu eingerichtet, neu möbliert, neu ausgestattet. Der Frankweilerer Schreiner Christian Schranz hat die Kirchenbänke, die abgewinkelt waren, gekürzt und Raum geöffnet.
Es ist zwei Jahre her, dass Landau das Buch Herzfaden von Thomas Hettche gelesen hat. Von dieser ersten Landau liest-Aktion haben wir die Acrylbilder von Manuela Schwarz-Thomas behalten. Sie sind damals bei uns eingezogen und wer sich erinnert: Ich habe sie in einem Gottesdienst mit der Ausdruckstänzerin KatarinaSophia vorgestellt.
Die Bilder von Manuela laden dazu ein, erkundet zu werden, in die bewegten Wellen mit dem Auge einzutauchen, die Berge mit dem Auge zu erwandern. Die Bilder bleiben nicht stumm. Sie erschließen sich und führen so auf einen inneren Weg. Sie geben Ruhe und sie geben Rätsel. Und über die Bilder zieht sich der rote Herzfaden, der alles miteinander verbindet. – Ist das ein Symbol für den Heiligen Geist? Der Faden nimmt das Auge mit über die vier Leinwände. Der Faden macht die Verbundenheit sichtbar: Elemente und Mensch, Mensch und Mitmensch, Gott und Mensch – verbunden über den roten Herzfaden.

Foto: Manuela Schwarz-Thomas (li), Pfr. Bauer (re).
Jetzt hat das Meditationsbild noch mehr Funktionen bekommen. Die Stille-Ecke ist zum Ruhe-Pol ausgebaut. Der lädt ein, in stiller Sammlung hinzutreten und sich selbst zu mit dem Herzfaden zu vernetzen, in Verbindung zu treten über ein Licht, das ich an der Osterkerze anzünden kann.
Das Licht kann für ein Gebet stehen – und so verbindet es mich mit Sinn und Hoffnung.
Das Licht kann für die Erinnerung an einen lieben Menschen stehen. Es verbindet mich mit denen, die vor mir waren.
Das Licht kann eine Fürbitte aufnehmen, die ich für jemanden an Gott richte. Es verbindet mich mit meinen Mitmenschen, mit ihrem Leid und ihrer Freude.
Das Licht ist das Licht von der Osterkerze her. Sie ist auch gestiftet worden. Das Licht der Osterkerze trägt die Botschaft Jesu vom Sieg des Lebens in sich. Es verbindet mich mit ihm und seinem Wort:
Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Ich lebe und ihr sollt auch leben.
Der Ruhe-Pol lädt ein, sich die tiefe Verbundenheit immer wieder in Erinnerung zu rufen und uns mit den Geschwistern vor uns und mit den Geschwistern neben uns verbunden zu spüren. Und verbunden nach unten in den Boden der Schöpfung, in der wir leben. Und verbunden nach oben in den Himmel, dessen Anbruch wir auf Erden erhoffen. Wer sich mit dem Auge in große bemalte Stele versenkt, der kann von unten nach oben einem Seelenweg folgen: Es beginnt mit Wegbiegungen, setzt sich fort über eine dunkelblaue massive Fläche, vor der ein weißer Turm steht oder an der ein Wasserfall herabrauscht. Dann kann man die Seele ruhen sehen. Vor dem Hintergrund einer ruhigen Seeoberfläche fliegen zwei weiße Vögel in den Raum. Jetzt ist die Seele bereit, selbst zu fliegen, ganz nach oben, wo ein Lichtschimmer wartet.
Die Kirche ist der Ort und die Gemeinschaft, in der Jesu Worte fortwirken. Hier wird seine Seelsorge weitergepflegt: Im Hören auf Jesu Weisungen, im Erleben und im Stärken der Gemeinschaft der Lebenden und darüber hinaus. Ein Ziel und ein Team, in dem jede und jeder gebraucht wird, um das Ziel zu erreichen. Das ist die Kirche.
Die neu eingerichteten Kerzen-Ecke, der neue Ruhe-Pol, fügt der gottesdienstlichen Darstellung unseres Glaubens ein weiteres Element hinzu – das der persönlichen Andacht, der Erinnerung und Anknüpfung an den Geist Jesu.
Die anderen Elemente, von der die Kirche lebt, kennen wir: Die Nahrung aus dem Wort, das erst durch das Hören in Gemeinschaft sich erschließt und zum Lebenswort wird. Taufe, das Erlebnis der vorlaufenden Liebe und des Angenommenseins vor jeder Leistung. Abendmahl der Moment der Stärkung von Jesus her. Das Singen, das Erlebnis, wenn sich Stimmen zu Harmonien verbinden. Das Erlebnis, wie das Ganze des Klangs mehr ist als die Summe der einzelnen Stimmen. Ein Bild für die Gegenwart von Gottes Geist. Das Teilen, das wir beim Hinausgehen üben: Etwas abgeben für Andere, für die Gemeinschaft. Jetzt also noch das Eintreten in die Ruhe vor den horizontöffnenden Bildern, vor den lebendigen Kerzenlichtern, eingedenk des roten Herzfadens mit dem der Geist von Pfingsten uns zusammenwebt.
Es ist schön, liebe Manuela, dass wir das jetzt zu Pfingsten geschafft haben, dass alles fertig geworden ist. – Gestern haben wir mit deinem Mann Stefan, meinem Sohn Philipp und dem Elektriker Alex die zwei Zentner schwere Standplatte der Stele hereingehoben. An alles wollte gedacht sein, bis es so war, wie in deiner und unserer Vorstellung.
Glaube muss immer wieder neuen Ausdruck finden in der Gemeinschaft. Es hört nie auf, dass wir uns Kutlurtechniken bedienen, um unserem Glauben neuen, lebendigen, kreativen Ausdruck zu geben. Möge der Ruhe-Pol mit Gottes Hilfe seiner Bestimmung gerecht werden!
So schart sich seine Kirche immer wieder um diesen Jesus. An Pfingsten machen wir es uns bewusst. Auch als Kirche wollen wir unserer Bestimmung gerecht werden: Jesu Weisungen achten, den Lebendigen sehen, den die Welt nicht mehr sieht: Ihr aber seht mich, spricht Christus, denn ich lebe und ihr sollt auch leben.
Und auch für dieses künftige Leben der Kirche wird der Geist sorgen. Der Geist der Wahrheit, spricht Christus, ihr kennt ihn, denn er bleibt in euch.
Dort hinten hängt jetzt noch etwas Neues. Eine Art Organisations-Skizze. Sie ist das Ergebnis von unserem Zukunfts-Gespräch Matthäus. Von ihm will ich heute nicht auch noch erzählen. Aber darum wird es in der nahen Zukunft gehen, damit die Matthäuskirche ein Ort für Menschen bleiben kann, ein Ort für die Geist-Gemeinschaft der Kirche, die sich Jesu Gebote immer wieder zu Herzen nimmt, sie immer wieder neu entdeckt, beflügelt im Geist.
Ihr kennt den Geist der Wahrheit, sagt Jesus, denn er bleibt in euch und wird in euch sein. Ihr seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Amen.