Predigt über Joh 3,14-21 von Pfr. Dr. Stefan Bauer
gehalten in der Matthäuskirche Landau am 16.3.2025
Johannes 3,14-21
Jesus sprach zu Nikodemus: Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Le-ben haben. Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Le-ben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon ge-richtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Men-schen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse.
Liebe Gemeinde, schauen wir noch richtig hin, wenn wir ein Kruzifix sehen? Es ist ja mehr in der katholischen Kirche verbreitet, den Gekreuzigten selbst darzustellen.
Im Gespräch Jesu mit Nikodemus legt Jesus wert darauf, dass wir hinsehen, dass wir ihn wirklich da hängen sehen. In dem ganzen Elend und Leid der Agonie, des Todes-kampfs.
Heute geht es also um zentrale Fragen unseres Glaubens: Wie wollen wir das Kreuz verstehen? Was bedeutet der Gekreuzigte für uns? Am liebsten würden wir ja immer Karfreitag überspringen und gleich Ostern feiern.
Zum Verstehen des Kreuzes, wie Jesus es sah, hilft uns der Text aus dem 4. Mosebuch, die Episode von der ehernen Schlange: Menschen, viele Menschen, unterwegs in der Wüste. Hunger, Durst, Hitze. Feinde, die auflauern.
Das Volk Israel probte auf der Wüstenwanderung des Exodus, wie schon so oft, den Aufstand gegen Gott. Grund war die schlechte Versorgungslage. Es wurde über das ewige Manna genörgelt, das ja doch nicht satt ma-che, wie ein richtiges Stück Fleisch. Wieder musste ein Umweg gemacht werden, um feindlichen Stämmen aus-zuweichen – den Edomitern. Wieder rückte das gelobte Land in eine ungewisse ferne Zukunft. Die Israeliten klag-ten und jammerten und wandten sich ab von Gott.
Die Befreiung von der Sklaverei und vor den Soldaten des Pharao – alles das war nicht mehr wahr, war nicht mehr wichtig. Aus den Gebeten der Israeliten war nur noch Ge-jammer geworden. Da kam kein Dank mehr vor, nur noch die Auflistung, was einen plagt und wie schwer doch alles ist und wie aussichtslos.
Wie reagierte Gott? Wie ging er damit um, dass die Men-schen ihn nur noch als Wunscherfüllungsmaschine wollten?
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre es Gott in seinem Zorn, der seinem auserwählten Volk diese Gift-schlangen auf den Hals hetzte.
Aber ich sehe das anders – die tödlichen Schlangen, ich meine, dass das die Gottesferne und Sünde der Israeliten selbst war. Sie waren sich selbst Feind geworden, indem sie sich von Gott abwandten.
Und als Gott den Mose eine eherne, eiserne Schlange herstellen und aufrichten ließ, zwang Gott sein Volk, das eigene Versagen anzuschauen – so konnten sie gerettet werden. Durch Erkenntnis der eigenen Bosheit und Got-tesferne im Bild der Schlange. Erst als sie da hinschauen konnten und wirklich erkannten, wer und wie sie selbst waren – da hat Gott sie gerettet. Die anderen gingen zu-grunde an ihrer zerbrochenen Beziehung zu Gott. – Das eherne Schlangenbild ein Mittel zur Selbsterkenntnis.
Und so verstehe ich nun auch, weshalb Jesus das Bild von der aufgerichteten Schlange für sich und für seinen be-vorstehenden Tod am Kreuz verwendete:
Da ist einmal der Aspekt des Mitleids. Wer den unschuldi-gen Jesus am Kreuz erkennt, der oder die wird nach dem wirklichen Hinschauen auch Mitleid mit allen anderen un-schuldigen Opfern auf der Welt haben.
Da befreit uns der Blick ans Kreuz davon, zu denken, es sei ja alles in Ordnung auf der Welt, weil ja unsere kleine Welt in Ordnung ist. Vielmehr lässt uns der Blick auf den leidenden Christus fragen, wo auf der Welt er gerade jetzt wieder ans Kreuz geschlagen wird. Unser Herz bewegen für das dauernde Leid in der Menschheit, das ist sicher das eine, was uns verändert, wenn wir wirklich hinschau-en, wenn wir uns klar machen, das ist nicht nur ein Deko-Artikel, so ein Kruzifix. Das ist eine Mahnung, die Gekreu-zigten und die unschuldig Leidenden nicht zu vergessen, sondern zu fragen: Was kann ich tun, um Leid zu lindern?
Und das zweite ist wie in der Geschichte der ehernen Schlange: Alle, die Jesus am Kreuz hängen sehen, die schauen auch in ihre eigene Schuld. Das Passionslied, das wir heute gesungen haben mit dem Text von 1630, mitten im 30jährigen Krieg gedichtet, hat es auch so ge-sehen: Ach, meine Sünden haben dich geschlagen!
Sind wir heute anders als diejenigen, die damals Jesus umgebracht haben?
Einer hat ein Urteil gesprochen, auf der Basis der gelten-den Gesetze. Einige haben es gemacht – auf Geheiß, andere haben nur Befehle gegeben, wieder andere ha-ben nur zugeschaut und wieder andere haben einfach weggeschaut. Und am Ende war es vollbracht. Es wäre heute genau so wieder!
Unser Verhalten sollen wir erkennen. Wenn wir wirklich mal hinsehen: Wenn wir uns vorstellen, dass da Jesus wirklich hängt in seiner Not. Da sollen wir erkennen, dass es heute zu unserer Zeit und mit unserem Zutun oder Wegschauen wieder genau so gehen würde.
Gerade unser Mitleid mit dem Gehängten und mit sei-nem Elend wird uns uns selbst erkennen helfen. Wir sind nicht anders als die damals.
Wer Jesus am Kreuz hängen sieht, der begreift, was Gott getan hat: Gott hat geliebt.
Wer diesen Gemarterten am Kreuz sieht und weiß, das ist Gottes Sohn, der hat begriffen, wie barmherzig Gott ist. Dass er sein Wertvollstes, den Sohn, sich selbst in ihm, ge-geben hat. Damit wir erkennen, wie es um uns steht, wie wir fortlaufend kreuzigen.
Denn das zu erkennen, ist der Beginn unserer Rettung.
Wenn ich es aushalte, den verrenkten Jesus am Kreuz hängen zu sehen, dann begreife ich an diesem Mord, dass Menschen die Finsternis mehr lieben als das Licht:
In der Finsternis werden Kreuze gezimmert. In der Finsternis werden die Bosheiten ausgedacht, die wir einander zu-muten. In unserer Finsternis kommen wir auf die Idee, wir selber wären besser, nur die andern seien böse. Alles das spielt sich in unserer alltäglichen Finsternis ab.
Jesus am Kreuz bringt Licht in die Sache. Unsere Machen-schaften kommen zutage – und so wird das Kreuz zum Heil. – Unsere Fehler holt das Kreuz ans Licht – doch dadurch sind sie jetzt offenbar und für alle sichtbar und verständlich. – Wir können sie auch vor uns selbst nicht mehr vertuschen.
Und vor dem Kreuz erkennen wir einander als Verstrickte, als Verirrte, als Menschen, die das Leid Anderer zulassen. Der Blick aufs Kreuz wirkt heilsam und macht solidarisch.
Wie der Blick auf das aufgerichtete Schlangenbild. Beides sind Spiegel, in die wir blicken, in ebenso schmerzhafter wie heilsamer Selbsterkenntnis. Amen.