Predigt von Pfr. Dr. Stefan Bauer, Matthäuskirche Landau, 3.11.2024
Römer 13,1-7 nach der Neuen Genfer Bibel
1 Jeder soll sich der Regierung des Staates, in dem er lebt, unterordnen. Denn alle staatliche Autorität kommt von Gott, und jede Regierung ist von Gott eingesetzt. 2 Dem Staat den Gehorsam zu verweigern heißt also, sich der von Gott eingesetzten Ordnung zu widersetzen. Wer darum dem Staat den Gehorsam verweigert, wird zu Recht bestraft werden. 3 Wer hingegen tut, was gut ist, braucht von denen, die regieren, nichts zu befürchten; fürchten muss sie nur der, der Böses tut. Du möchtest doch leben, ohne dich vor der Regierung fürchten zu müssen? Dann tu, was gut ist, und du wirst sogar noch Anerkennung von ihr bekommen. 4 Denn die Regierung ist Gottes Dienerin, und du sollst durch sie Gutes empfangen. Wenn du jedoch Böses tust, hast du allen Grund, sie zu fürchten. Schließlich ist sie nicht umsonst Trägerin der richterlichen Gewalt. Auch darin ist sie Gottes Dienerin. Indem sie den Schuldigen zur Verantwortung zieht, vollstreckt sie an ihm das Urteil des göttlichen Zorns. 5 Es ist also notwendig, sich dem Staat unterzuordnen, und das nicht nur aus Angst vor der Strafe, sondern auch, weil das Gewissen es fordert. 6 Darum ist es auch richtig, dass ihr Steuern zahlt. Denn die Beamten sind Diener Gottes, die ihre Pflicht tun, damit der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. 7 Gebt jedem das, was ihr ihm schuldet: Zahlt dem, der Steuern einzieht, die Steuern, zahlt dem Zollbeamten den Zoll, erweist dem Respekt, dem Respekt zusteht, und erweist dem Ehre, dem Ehre zusteht.
Liebe Gemeinde, vergangenen Dienstag war ich zu einer Pfarrerbesprechung am Stiftsplatz. Da ist eine große Baustelle. Ich musste auf dem Westring parken – ich hätte besser das Fahrrad genommen. Das Schild am Westring sagte: Parken mit Parkschein. – Aber der nächste Automat war ewig weit weg. Ich habs riskiert, ein Knöllchen zu bekommen. Denn ich muss sagen, ich zahle gar nicht so ungern sowohl Parkgebühren, als auch einen Strafzettel.
Das Geld ist doch schließlich für meine Stadt, in der ich lebe! – Klar, das tut weh, wenn es gleich 20 Euro kostet. Andere, die weniger haben als ich, achten da sicher auch mehr darauf. Aber ich kann nicht wirklich böse darauf werden, wenn ich auch mal einen Strafzettel bezahle. – Es gibt so viele Schulen, die mal wieder renoviert werden müssten. Es fehlt in Kindergarten-Plätzen – die Kommunen sind knapp bei Kasse. Sie haben viele kostspielige Aufgaben, die ich aber wichtig finde. Sie müssen sich zum Beispiel auch darum kümmern, dass Menschen, die nach Deutschland fliehen, hier leben können, dass sie unsere Sprache lernen können, dass sie in die Lage versetzt werden, hier einen guten Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Mir ist das wichtig, dass da alles gut gemacht wird mit der Integration, dass alle ihre Chance bekommen. Also ich zahle gern meine Strafzettel.
Das ist ja sonst nicht so die Devise, wenn man so herumhört. Jeder hat seinen Steuerberater oder tut doch alles, um ja nicht zu viel Steuern zu bezahlen. – Steuern sind etwas zu Vermeidendes. Ich denke, weil man wenigstens die Kirchensteuer vermeiden kann, treten Menschen aus den Kirchen aus. – Ich finds schade.
Am Montag auf dem Elternabend im Kindergarten habe ich so gedacht – ja, ich hätte allen ruhig erzählen können, dass die Kirchengemeinde jedes Jahr viel Geld aufbringen muss, um das Gebäude und das Außengelände mit den Spielgeräten in Ordnung zu halten. Das wird immer schwieriger in den Gemeinden. Menschen treten aus. Sie vermeiden das Unangenehme. Als unangenehm gilt, Steuern zahlen zu müssen. – Dabei dienen Steuern dem Wohl aller.
Sicher ist es nicht mehr so, dass wir unsere Obrigkeit als von Gottes Gnaden ansehen. – Wir leben in einer Demokratie. Wir wählen uns die Obrigkeit. Wir dürfen auch die Regierung kritisieren, unsere Meinung frei äußern.
Und so bin ich in einer Zeit aufgewachsen, in der Autoritäten erstmal kritisch betrachtet werden. – Und das finde ich richtig, auch, wenn ich mit dem Ansehensverlust des Pfarrberufs leben muss. Ich bin sowieso mehr für Augenhöhe. – Nein, jeder muss heute erstmal seine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen – es gibt keinen Amtsbonus mehr. Nicht zuletzt ist die Kritik gegenüber den Autoritäten gewachsen als Antwort auf den Missbrauch der Macht im Dritten Reich.
Da fällt mir der Satz von Bertold Brecht ein: Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Ich hab nachgelesen. Eigentlich stammt er von Papst Leo XIII., der 1903 nach 25 Jahren Amtszeit in Rom starb. Er schrieb in einer seiner vielen Enzykliken: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam aber zu Verbrechen.
Das klingt anders als Paulus, der schreibt: Wo Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Aber wir sehen, dass es auch gegenüber der Obrigkeit eine kritische Instanz geben muss. Sowohl der Staat, als auch ein staatsbürgerliches Bewusstsein hat sich erst lange nach Paulus herausgebildet. Aber in jedem Gemeinwesen braucht es auch Kritik. So muss man z.B. jedes Gemeinwesen daran messen, wie es mit seinen Schwächsten umgeht. – Das war schon lange vor Paulus eine kritische Anfrage der Propheten Israels. Und das muss man immer die Regeierungen dieser Welt fragen: Wie geht ihr mit euren Schwächsten um?
Und ich meine, da haben wir heute in unserem Land wenig Grund zur Klage. Die Zeiten sind gerade schwierig. Da gibt es auch mal Einschnitte – aber ich denke, der Staat tut dennoch viel für seine schwächsten Glieder, für die Kinder, für die Kranken, für die Alten, für die Armen. – Natürlich gilt es immer, Misstände aufzuzeigen und die Stimme zu erheben für die ganz unten. Es gibt starke Kräfte, die meinen, das Soziale wäre schädlich. Die am sozialen Rand brauchen Fürsprecherinnen und Fürsprecher. Aber blickt man so in die Welt, sieht es bei uns noch vergleichsweise gut aus. Wir sind versorgt. Wir können leben. Wir können gut leben.
Dafür verdient jede Regierung erstmal Respekt, wenn es sich einigermaßen leben lässt. Und auch die andere Botschaft des Paulus an die römische Christengemeinde scheint mir weiterhin richtig: Wer sich ordentlich verhält, wer die Allgemeinheit nicht schädigt oder betrügt, wer sich an die Regeln hält, der hat ja auch von der Obrigkeit nichts zu fürchten. Und andererseits bemüht sich ein Rechtsstaat, die Missetäter zu bestrafen und die Gesellschaft notfalls vor ihnen zu schützen. Gut, dass es Beamte gibt, die ihren Dienst nach Vorschrift tun – sie bewahren uns vor Korruption und ermöglichen Handel und Wandel. – Wahrhaft ein Grund, zu danken und Gott zu loben! Der Beamte und die Beamtin kann aber nur leben, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre Steuern zahlen. Darum gebt jedem, was ihr schuldig seid. Warum also sauer sein, wenn ich einmal einen Strafzettel zahle. Es fließt einem guten Zweck zu.
Respekt verdient ein guter Staat.
Die Ehre aber, die Ehre, die bringen wir Gott entgegen.
Ihm allein gebührt sie. Denn die Obrigkeit dient in dem, was sie tut. So sollte es laut Paulus sein. Und denken wir daran, dass Paulus das einer Gemeinde schrieb, die später in der Geschichte blutig verfolgt wurde. Und zwar von dieser selben römischen Obrigkeit.
Heute ist es leicht, zu behaupten, die Regierung sei schlecht. Die Wahrheit ist umstritten – es gibt keinen Vertrauensbonus mehr. So haben sich die Zeiten geändert. Es kann aber sein, dass man sich bald wieder nach einer guten Obrigkeit, nach einer guten Regierung sehnt, die Diskussionen erlaubt, die um den richtigen Weg ringt in schwieriger Zeit.
Wenn die Steuern nur noch für Kriegsproduktion eingesetzt werden. Wenn die Herrschenden nicht mehr alle Bürgerinnen und Bürger gleich schützen wollen. Wenn unliebsame Medien mundtot gemacht werden sollen. Wenn die Gleicheit vor dem Gesetz untergraben wird. Wenn der Staat keine Rechte mehr gewährt, sondern nur noch Rechte beschneidet. Wenn es den Schwächsten an den Kragen geht und nur noch die Starken leben sollen. – Das sind Zeitpunkte, zu denen eine Regierung und eine Obrigkeit den Respekt verspielt haben werden. Und dann kann es dahin kommen, dass Mitlaufen und Schweigen zu Verbrechen an der Menschlichkeit werden. Dann kann es sein, dass eine Führung, die die Macht um der Macht willen ausübt – und nicht mehr zum Wohl der Menschen, dass so eine Regierung, die Menschen ans Kreuz schlägt, als gottlos angesehen werden muss.
Dann ist es Zeit aufzustehen und die Stimme für die Schwachen zu erheben. Dann wird es Zeit sein, den Respekt und die Furcht aufzukündigen und Zeichen der Menschlichkeit zu setzen. Damit es wieder dahin kommen kann, dass man sich einer Obrigkeit unterordnet um des allgemeinen Friedens willen, um der Chancengerechtigkeit willen, um der Freiheit willen, dass jeder und jede eine Meinung haben darf und einen Glauben und eine Religionsausübung – im Rahmen von Gesetzen, die zum Schutze aller da sind. Denn so will es Gott – hören wir den Paulus sagen. Gott will gute Regierung als Dienerin den Menschen zugut. Gott will Menschen, die sich rücksichtsvoll in die geltenden Regeln fügen. Gott will das Glück aller und lädt zum Fest des Lebens ein.
Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam aber zu Verbrechen. Das Papstwort klingt so vollmundig und selbstgewiss. Aber ist es nicht so, dass, wenn sich ein politisches System verändert, wenn es langsam und schleichend zu einer Diktatur wird, dass sich dann wir Menschen sehr klein fühlen? Was können wir schon tun? Wir sehen an unseren eigenen Vorfahren, wie sie in der nationalsozialistischen Diktatur und im SED-Staat die herrschende Denkweise und Weltsicht weitgehend übernommen hatten und der Widerstand sich auf einzelne Märtyrerinnen und Märtyrer beschränkte. Die Verrohung beginnt mit der Sprache, das wissen wir von Victor Klemperer und Harald Welzer. Und mit der Sprache dringt die Verrohung in die Köpfe ein. Und dort entstehen dann die Rechtfertigungen für Grausamkeiten.
Wer hat schon den klaren Blick und den Heldenmut eines Bonhoeffer, dem Rad dann in die Speichen zu fallen? Oder wie Martin Luther, für seinen Glauben aufzustehen und nicht zu weichen? – Wir hatten gerade den Reformationstag. Es gibt einen Grund, dass Menschen auch mutig und selbstvergessen aus Liebe die Werke der Menschlichkeit tun – auch unter Diktaturen. Und diesen Grund finde ich auch bei Paulus im Römerbrief. Denn da schreibt der Apostel ein Kapitel weiter (14,8): Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.
Sich im Leben und im Sterben von Gott und in Christus getragen zu wissen, das wäre vielleicht die einzige Kraftquelle, aus der heraus man zum Widerstehen fähig wäre. Eine Kraftquelle, die eben von außen kommt, die aus älteren Quellen gespeist wird, als einer herrschenden Ideologie. Für mich gibt allein der Glaube die Hoffnung, die dazu befähigen kann, auch in widrigen politischen Zeiten noch menschlich zu bleiben und mutig zu handeln.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.